Kommentar Vorratsdatenspeicherung: Politik des Misstrauens

Die Bundesregierung will Informationen über ausländische Gäste und ihre Gastgeber speichern - ab dem ersten Mal. Das ist offensichtlich verfassungswidrig.

Nehmen wir an, ein deutscher Schleuser will ausländische Frauen nach Deutschland holen, damit sie hier als Kellnerin oder Prostituierte arbeiten. Dazu lädt er zwei "Nichten" aus Nigeria ein, dann zwei "Nichten" aus Ghana und schließlich zwei "Nichten" aus Liberia. Keine der deutschen Botschaften in den jeweiligen Ländern würde Verdacht schöpfen - sofern es nicht eine zentrale Datei gibt, die das inflationäre Einfliegen von Nichten schonungslos aufdeckt.

Eine solche Datei will die Bundesregierung nun schaffen. Dort soll jeder "Vieleinlader" registriert werden, damit die Botschaften entsprechende Visumsanträge besonders gründlich prüfen. Um festzustellen, wer überhaupt ein Vieleinlader ist, müssen die Einladungen gezählt werden. Deshalb wird schon ab der ersten Einladung gespeichert.

Die ganze Idee ist offensichtlich verfassungswidrig. Wer als Vorsitzender des Gesangsvereins den Chor aus der ukrainischen Partnerstadt einlädt, macht sich damit nicht verdächtig und muss nicht gespeichert werden. Der Staat will hier Daten sammeln, nur um Anzeichen für einen Verdacht

zu suchen. Das nennt man gemeinhin Überwachungsstaat.

Natürlich gibt es in Einzelfällen Visamissbrauch, aber wie oft dieser vorkommt, kann die Regierung nicht sagen. Außerdem ist illegale Einwanderung nun wirklich kein Delikt, das derart drastische Überwachungsmaßnahmen rechtfertigt.

Für die zwangsgespeicherten Vieleinlader bringt die Datei dagegen vor allem Ärger mit sich. Es ist kein schönes Gefühl, wenn einem Bürger staatliches Misstrauen entgegenschlägt, auch können Polizei und Geheimdienste auf die neue Datei zugreifen. Vor allem aber dürfte die Einstufung als Vieleinlader jede weitere Einladung erschweren.

Die große Koalition sollte deshalb dringend auf diese sinnlose Stigmatisierung verzichten. Es genügt völlig, wenn in einer Warndatei diejenigen Einlader gespeichert werden, mit denen es schon einmal Probleme gab. Das war übrigens der Plan der CDU/CSU - als sie noch in der Opposition war.

CHRISTIAN RATH

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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