Kommentar Putins Menschenrechtsinstitut: Russische Realsatire

Kremlchef Putin sorgt sich nicht um Menschenrechte im eigenen Land, sondern um Recht und Moral in der EU. Eine billige Retourkutsche.

Der russische Präsident hat die Menschenrechte entdeckt. Das ist zu begrüßen, denn ernsthaft hatte niemand mehr damit gerechnet. Doch nicht die bedauernswerte Lage der Menschenrechte im eigenen Land bereiten dem Kremlchef Sorgen, wie er öffentlich verlauten lässt, sondern der Zustand von Recht und Moral in der Europäischen Union. Deshalb solle Brüssel demnächst ein russisches Menschenrechtsinstitut erhalten, so seine Idee.

Das selbstlose Russland mit Dostojewskis Allmenschentum will also Europa vor seinem Verderben bewahren? Und wieder einmal ist es der Kreml, der früher als andere erkennt, woran es wirklich krankt - bei den anderen?

Realität und Realsatire sind in Russland aufs Engste miteinander verwandt. Oftmals sind die Grenzen dazwischen kaum noch zu erkennen. Tragisch ist aber, dass auch Protagonisten wie Wladimir Putin gelegentlich die Orientierung verlieren. Nur so ist zu verstehen, warum er ernsthaft glaubt, der lästigen Kritik westlicher Menschenrechtsorganisationen mit einer solchen Retourkutsche begegnen zu können.

Die Herrscher im Kreml sind der festen Überzeugung, auch andere Gesellschaften funktionieren wie die russische. Deshalb können sie die Kritik unabhängiger Menschenrechtsgruppen nur als politisch gewollt und von feindlichen Mächten gesteuert begreifen. Die europäische Politik ließ sich davon gerne mal an der Nase herumführen. Damit sollte aber jetzt endlich Schluss sein. Denn Putins Pläne sind keineswegs nur Realsatire. Der Kremlchef legt es darauf an, die Europäer zu erniedrigen und ihre Werte lächerlich zu machen.

Den selbstherrlichen Parvenüs in Moskau muss man deshalb deutlich zu verstehen geben, dass diese Botschaft in Europa auch angekommen ist. Man mag zwar dieselben Begriffe benutzen, hat jedoch erkannt, dass Moskau sie bewusst mit anderen Inhalten füllt. Freiheit bedeutet im russischen Kontext wieder das Recht, sich von fremden Werten zu befreien.

Die falsche Rücksichtnahme der Europäer ist hier fehl am Platz, sie wird im Kreml ohnehin nur als Schwäche ausgelegt. Und Schwache werden in Russland schlecht behandelt.

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Jahrgang 1956, Osteuroparedakteur taz, Korrespondent Moskau und GUS 1990, Studium FU Berlin und Essex/GB Politik, Philosophie, Politische Psychologie.

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