Kommentar Sarrazins Rechtsempfinden: Verfassung? Ohne mich!

Bundesbanker Sarrazin fordert von Wulff, ihm eine "Anhörung" einzuräumen. Es zeigt, dass er es mit dem Grundgesetz nicht zu genau nimmt.

Am liebsten stolpert Thilo Sarrazin über sein gesundes Rechtsempfinden. Nach "Hartz IV" und "Integration" hat er sich ein neues Opfer gesucht: den Bundespräsidenten. Wulff möge, so verkündete Sarrazin in einem Interview, den "politischen Schauprozess" gegen ihn nicht "vollenden" und ihm eine "Anhörung" einräumen. Der Unterschied zu den bisherigen Debatten ist offensichtlich: Diesmal geht es Sarrazin um Sarrazin selbst und um seinen Job. Da darf man von einem "Klartextpolitiker" vielleicht wirklich nicht erwarten, dass er es mit der Verfassung zu genau nimmt.

Denn Sarrazins Anhörung durch den Bundespräsidenten würde einen klaren Verfassungsbruch darstellen. Wulff würde damit seine Rolle überstrapazieren. Zwar ist gesetzlich nicht explizit geregelt, wie ein Bundesbankvorstand abzuberufen ist. Eindeutig ist aber, dass dem Bundespräsidenten bei der Ernennung der Bundesbankvorstände nur ein äußerst eingeschränktes Prüfungsrecht der Personalvorschläge zukommt. Warum also sollte er bei einer Abberufung plötzlich mehr Macht haben? Der Bundespräsident ist weder die verfassungsrechtlich vorgesehene noch geeignete Instanz, Anhörungen bei Personalquerelen im Vorstand der Bundesbank durchzuführen.

Stattdessen ist es Ausdruck der Unabhängigkeit der Bundesbank, dass ihr Vorstand autonom entscheiden kann, wenn sich eines seiner Mitglieder schwere Verfehlungen zu Schulden kommen lässt. Ansonsten käme für nähere Anhörungen noch jene Institution in Frage, die Sarrazin berufen hat: der Bundesrat. Wer nun - wie Sarrazin - eine Prüfung der Abberufung durch den Bundespräsidenten fordert, ermuntert diesen letztlich zum Bruch der Verfassung.

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