Kommentar Bundeswehr in Afghanistan: Vertuschungstaktik

Der Untersuchungsbericht hatte für Regierung und Bundeswehr nur einen Zweck: Zeit zu gewinnen bis nach der Bundestagswahl.

Der Untersuchungsbericht, den die Nato zum Luftangriff von Anfang September auf zwei von den Taliban bei Kundus entführte Tankwagen verfasst hat, entlastet die Bundeswehr - das meint jedenfalls deren Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan. Die Bundeswehr habe in "operativer Hinsicht" militärisch angemessen gehandelt, so der General nach Durchsicht des ihm vorliegenden Geheimberichts.

Diese Darstellung ist dreist. Denn der Bericht lässt wichtige Fragen offen. So schwankt allein die Zahl der Toten und Verletzten zwischen 17 und 142. Wenn schon diese wichtigen Fakten nicht geklärt werden konnten, wie wollen Nato und Bundeswehr dann einschätzen, ob und wie viele der Getöteten Zivilisten waren - und ob der Angriff an sich gerechtfertigt war oder nicht? Anhand einer Leiche festzustellen, ob es sich bei dem Toten um einen Talib, einen Sympathisanten, einen zur Komplizenschaft eingeladenen oder gezwungenen Dorfbewohner handelte, ist so gut wie unmöglich. Erst recht lässt sich dies nicht mehr feststellen, wenn die Bundeswehr erst Stunden nach dem Angriff am Ort des Geschehens eintraf, als die Dorfbewohner ihre Toten längst beerdigt hatten.

Schon am Tag nach dem Angriff war absehbar, dass sich wichtige Details wohl nie würden aufklären lassen. Deutsche Politiker und Militärs dagegen versuchten mit Verweis auf die anstehende Untersuchung immer wieder den gegenteiligen Eindruck zu erwecken. Dabei hatte die Untersuchung vor allem den Zweck, Zeit zu gewinnen. Die wurde benötigt, um den Vorfall und das heikle Thema des zunehmend unbeliebten und erfolglosen Afghanistan-Einsatzes aus dem Bundestagswahlkampf herauszuhalten. Genau das Gegenteil hatten die Taliban mit ihrer Entführung der Tanklaster beabsichtigt, um so den Druck auf die Bundesregierung zu erhöhen.

Mehr Transparenz und Klarheit hat der Untersuchungsbericht, der nicht publik ist und vielleicht auch nie sein wird, der Öffentlichkeit aber nicht gebracht. Genau diese wäre aber nötig, um das Vorgehen der Bundeswehr in Afghanistan angemessen beurteilen zu können.

Die politische und militärische Führung haben nach dem Angriff versagt und mit ihrer schlechten Krisenkommunikation den fatalen Eindruck erweckt, hier solle etwas vertuscht werden. Diesen Eindruck können sie auch jetzt nicht glaubhaft korrigieren.

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Asienredakteur seit 1997, studierte Politologie in Berlin und Communication for Development in Malmö. Organisiert taz-Reisen in die Zivilgesellschaft, Workshops mit JournalistInnen aus Südostasien und Han Sens ASIENTALK. Herausgeber der Editionen Le Monde diplomatique zu Südostasien (2023), China (2018, 2007), Afghanistan (2015) und Indien (2010). Schreibt manchmal auch über Segeln. www.fb.com/HanSensAsientalk @SHansenBerlin

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