Streit der Woche: "Die Gesetzgebung ist fahrlässig"

Die deutschen Organspenderegeln sind zu lasch, sagt Til Schweiger. Eine Gesetzesänderung würde zu lange dauern, fürchtet dagegen der Chef der Stiftung Organspende, Günter Kirste. Er ist für eine andere Lösung.

Pro Organspende: Til Schweiger will mehr Menschen zum Spenden bewegen. Bild: Joachim Baldauf

Der Schauspieler und Regisseur Til Schweiger fordert eine Gesetzesänderung, damit mehr Menschenleben mit Spenderorganen gerettet werden können. „Es ist absolut zumutbar, per Gesetz von jedem Menschen zu verlangen, eine klare Entscheidung zur Organspende für sich zu fällen – Pro oder Contra“, schreibt der Schauspieler im Streit der Woche in der sonntaz. Schweiger hält die aktuelle Gesetzgebung für „geradezu fahrlässig“ - angesichts der weit über 1.000 Menschen, die jährlich sterben weil sie vergeblich auf ein Spenderorgan warten.

In Deutschland gilt die sogenannte Zustimmungslösung. Das heißt, wer nach seinem Tod seine Organe spenden will, braucht dafür einen Organspenderausweis. Nur 17 Prozent aller Deutschen haben einen solchen Ausweis – obwohl mehr als drei Viertel die Organspende befürworten. Länder wie Spanien oder Österreich haben dagegen die Widerspruchsregelung: Jeder Mensch ist dort automatisch potentieller Organspender, es sei denn er hat noch zu Lebzeiten ausdrücklich widersprochen.

„Immer wieder wird die Einführung der Widerspruchsregelung gefordert, wenn es um die Steigerung der Organspendezahlen geht“, schreibt Günter Kirste, Vorstand der Deutschen Stiftung Organtransplantation in der sonntaz. Doch für ihn ist die Widerspruchsregelung kein Allheilmittel, um den Organmangel zu beheben. Den entscheidenden Knackpunkt sieht Kirste vielmehr in der frühzeitigen Erkennung und Meldung möglicher Spender in den Krankenhäusern. „Wir haben keine Zeit für politische Debatten, die einer Gesetzesänderung vorausgehen“, schreibt Kirste im Streit der Woche.

Jochen Taupitz, Jurist für Medizinrecht und Mitglied im deutschen Ethikrat, glaubt dagegen, dass die Organspenderegeln in Deutschland mit dafür verantwortlich seien, „dass tagtäglich Menschen auf der Warteliste sterben, obwohl sie mit einer Organtransplantation gerettet werden könnten.“ Taupitz ist der Meinung, dass diejenigen, die sich zu Lebzeiten nicht über eine mögliche Organspende äußern als Organspender in Anspruch genommen werden sollten. „Schließlich erwarten die meisten Menschen, im Bedarfsfall selbst ein Organ zur Verfügung gestellt zu bekommen.“

Roland Hetzer, Direktor des Deutschen Herzzentrums Berlin, ist für den Erhalt der geltenden Regelung. „Wenn das bestehendeTransplantationsgesetz konsequent umgesetzt würde, dann hätten wir keinen Organmangel“, sagte Hetzer taz.de. Wichtig sei es vor allem, dass die Menschen ihren Willen überhaupt kundtäten. „Ob das Transplantationsgesetz Zustimmung fordert oder Widerspruch erlaubt ist nicht von großer Bedeutung für die Angehörigen eines Toten, wenn sie nicht wissen, wie dieser selbst entschieden hätte.“

Im „Streit der Woche“ äußern sich zudem Martina Wenker, Präsidentin der Ärztekammer Niedersachsen, Carola Reimann, Sozialdemokratin und Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im deutschen Bundestag, Renate Greinert, die in ihrem Buch „unversehrt sterben!“ über ihre Erlebnisse als Mutter eines Organspenders berichtet und taz.de-Leser Dieter Frick.

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