Die kleine Wortkunde: "Sicherheitskraft"
Immer wieder steht es in der Zeitung: Sicherheitskräfte erschießen Demonstranten. Wer genau auf die Demonstranten schießt, scheint schwer definierbar zu sein.
Gerade in unübersichtlichen Konflikten, wird oft von Repressalien und Gewalt der Sicherheitskräfte gesprochen. Das grundsätzliche Problem ist, dass es keine verlässlichen Informationen gibt, aus welchen Gruppen sich diese Kräfte speisen.
Wer genau auf die Demonstranten schießt, scheint schwer bis gar nicht definierbar zu sein. Ein Problem, das in der taz diskutiert wird. Denn "Sicherheitskräfte" ist zunächst einmal ein grundsätzlich positiv besetzter Sammelbegriff für Exekutivorgane eines Staates. Dazu gehören die Polizei, Geheimdienste oder auch das Militär. Wie das enthaltende Wort "Sicherheit" impliziert, handelt es sich dabei um Kräfte, die die innere Sicherheit bewahren und nicht stören sollen.
In letzter Zeit suggeriert der Begriff allerdings genau das: Sicherheitskräfte repressieren demokratische Grundrechte, die beispielsweise Demonstranten in Syrien versuchen, durchzusetzen. Wer nun wirklich geschossen hat? Schwer zu sagen in diesem Durcheinander an staatlichen Organen. Gleichwohl kann auch behauptet werden, dass sich Sicherheitskräfte in einer Diktatur dem dementsprechenden Verständnis unterordnen. Das heißt im Klartext: im Rechtsstaat sind sie positiv besetzt, in einem Unrechtsstaat nicht.
Was also tun? Hier wird es knifflig. Vielleicht kann man sich darauf einigen "Sicherheitskräfte" in Zukunft nur noch im positiven Kontext zu verwenden. In gewalttätigen Zusammenhängen wäre es hingegen angebrachter von "Repressionskräften" zu sprechen, obwohl auch dieser Begriff wieder ideologisch besetzt scheint. Es ist also schwer, ein passendes Synonym für solch ein zusammengesetztes Wort wie "Sicherheitskräfte" zu finden.
Fakt ist: In kriegerischen Auseinandersetzungen sollten gewalttätige Gruppen nicht mit demokratischen Bezeichnungen geadelt werden.
Leser*innenkommentare
Rackergen
Gast
Genau, wenn hier bei einer Demo mal wieder friedliche Demonstranten geknüppelt werden, reden wir am besten von "Repressionskräften". Das waren nicht die Sicherheitskräfte, die Oma die Katze vom Baum holen, sondern ganz andere, böse Menschen, die mit unserer lieben Polizei nichts am Hut haben!!1!
Was kotzt mich diese Scheinheiligkeit an...
Hans
Gast
Sicherheitskräfte ist in demokratischen Staaten positiv besetzt? Also wenn in Dtld einer von Sicherheitskräfte redet, habe ich kein positives Bild von dem Verkehrspolizisten nebenan im Kopf, sondern das des geifernden Staatsschutzbeamten mit Vorratsdatenspeicherung, Bespitzelung, Isohaft,Indect und co...
Ich weiss nicht warum, aber auch in Dtld halte ich diesen Begriff nicht für positiv besetzt. Vielleicht liegt es daran dass es keine Bedrohung gibt die mich als Bürger entgegensteht. Um die vereinzelten Morde kümmert sich die Kripo- nicht die Sicherheitskräfte. Um Körperverletzungen kümmert sich i.d.R. die normalen Streifenbeamten. Terrorismus kann auch auch keine Sicherheitskraft verhindern, sondern ist eher ein einfaches populistisches Wahlkampfthema von konservativer Seite. Es bleibt dabei: Sicherheitskräfte sind die fiesen Repressionsguys. Der Unterschied zwischen demokr. und diktat. Staaten liegt in meinem subjektiven Empfinden nur in der Qualität der Repression.
Sabine Engelhardt
Gast
Warum bezeichnet Ihr die Leute nicht gemäß ihrem "Berufsstand"? Also Polizei, Armee/Militärs, gekaufte Schläger etc. Das wäre neutral(er), eindeutiger und ehrlicher. Und wenn das nicht eindeutig ist, dann sind es "von der Regierung eingesetzte Kräfte".
"Sicherheitskraft" ist so ein schwammiger Begriff, den könnte man glatt mal im Neusprech-Blog[1] zerlegen lassen.
Gruß, Frosch
[1] http://neusprech.org/
Max
Gast
Wieso: Die Sicherheitskräfteschützen die Sicherheit. Fragt sich nur wessen Sicherheit...
In Demokratien schützen Sicherheitskräfte die Sicherheit des Souveräns (der Bürger) und in Diktaturen schützen Sicherheitskräfte auch die Macht habenden, nur ist das dort eben das Regime und nicht das Volk.
Win
Gast
In Unrechts-Zusammenhängen könnte man einfach die „Sicherheitskräfte“ in Anführungszeichen setzen.
flippah
Gast
Ich finde den Begriff durchaus passend. Schließlich ist in vielen Konflikten die Sicherheit des einen die Repression des anderen.
Und in den seltensten Fällen ist die Verteilung so einfach, wie sie einem von hier aus erscheint.