Chinas Messeauftritt ist politisch korrekt: Das eherne Ein-China-Prinzip

Wie sehr China ist Taiwan? Sehr, meint die Volksrepublik und präsentiert auf der Buchmesse auch taiwanesische Bücher, allerdings nicht ohne Warnhinweise.

Anderes China: Taiwanesen demonstrieren gegen Deutschlands "Ein-China-Politik" Bild: dpa

Auf allen taiwanesischen Büchern, die China innerhalb seines Ausstellungsareals auf der Frankfurter Buchmesse präsentiert, prangen kleine gelbe Aufkleber. Auf denen steht der Satz: „Any claim denying the One-China Principle in this book will be rejected” („Jede Forderung in diesem Buch, die gegen das Ein-China-Prinzip verstößt, wird zurückgewiesen“). Damit soll das „Ein-China-Prinzip“ bekräftigt werden – Taiwan ist Teil Chinas. Ich bin nicht anderer Meinung. Überrascht bin ich aber von der offensichtlichen Absurdität dieses Satzes: Wer ist der Fordernde, wer ist der Zurückweisende? Es würde doch kein Autor oder Leser ein Buch zerreißen, nur weil es die Unabhängigkeit Taiwans anspricht.

Um Taiwans Zugehörigkeit zu China zu betonen, hat das Gastland China extra diese kleinen Bücherregale für taiwanesische Bücher eingerichtet. Da bestehen natürlich große Unterschiede zu den so genannten „taiwanesischen Verlegern“, die sich im internationalen Ausstellungsbereich befinden. Dort bestreiten zehn Verlage aus der Republik Taiwan einen gemeinsamen Ausstellungsraum. Lin Zaijue , Vorsitzender der „taiwanesischen Stiftung für die Buchmesse“ erklärt, dass die taiwanesischen Verleger seit jeher den Namen „Taiwan“ benutzen.

Weil China aber diesmal Ehrengast ist, berieten sich die chinesischen und taiwanesischen Verlage in den letzten zwei Monaten mit der Frankfurter Buchmesse. Schließlich entschieden sich die taiwanesischen Verlage für den Namen „taiwanesische Verleger“. Sie stellen nach wie vor im internationalen Ausstellungsbereich aus. Dort unterstreichen sie ihre eigene Verortung mit dem englischen Schriftzug: „Nur in Taiwan herausgegebene Bücher“.

Jeder Staat legt auf seine eigene „Political Correctness“ Wert. Die Chinesen halten die „nationale Vereinigung“ – sei es auch nur dem Namen nach – für wesentlich wichtiger als die von den westlichen Medien hervorgehobene Meinungsfreiheit. Für chinesische Diplomaten und Kulturfunktionäre ist es keine Zeitverschwindung klarzustellen, wie die Identitäten „China“, „chinesisches Volk“, „Chinesisch-Taiwan“ und „Taiwan“ miteinander verbunden sind. Dieser scheinbar lächerliche Kampf um Namensnuancen entspringt den Umwälzungen des Jahres 1949: die im Bürgerkrieg überlegene kommunistische Partei gründete die Volksrepublik und die Republikaner zogen sich in die „Republik China“ nach Taiwan zurück.

Das Buch „Großer Fluss, großes Meer 1949“ der berühmten Schriftstellerin Lung Yingtai, das von den taiwanesischen Verlegern auf der Messe präsentiert wird, ergründet, wie sich die enormen Umwälzungen von 1949 auf individuelle Schicksale ausgewirkt haben. Der Bürgerkrieg zwischen Guomindang und Kommunisten kostete fast zwei Millionen Menschen das Leben. Für die chinesischen Machthaber ist es ein wenig unpassend, aus der Sicht gewöhnlicher Menschen über den Bürgerkrieg nachzudenken. Obwohl die KP gerade die Feierlichkeiten zum 60. Jahrestag ihres Sieges und der Errichtung der Volksrepublik beendet hat, ist dieses ergreifende und ungeschönte Buch nicht in den chinesischen Buchhandlungen zu finden.

Gott sei Dank ist China nicht so isoliert wie Nord-Korea. Die Chinesen haben sehr unterschiedliche Vorgehensweisen: Beispielsweise lässt man seine Freundin, die in Hong Kong verbilligte Kosmetikartikel kauft, ein Buch mitbringen. Aber das kostet Geld und ist zugegeben etwas umständlich.

ZHOU WENHAN; geb. 1978, ist freier Autor und lebt in Peking. Er schreibt vor allem für Chinas bekannteste Wochenzeitung The Economic Observer und Phönix Weekly. Bis 2008 war er als Kulturjournalist bei der Neuen Pekinger Zeitung tätig.

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