Schauspielerin Mina Tander: Zerrissen zwischen Kopf und Bauch

Ab Donnerstag ist Mina Tander in ihrer bislang wichtigsten Kinohauptrolle zu sehen. Im Film "Maria, ihm schmeckts nicht" spielt die Deutschafghanin eine Deutschitalienerin.

Mit ihrer Hauptrolle in "Maria, ihm schmeckts nicht" ist Mina Tander eigentlicht hoffnungslos unterfordert. Bild: dpa

Fremde erkennen immer gleich die Fremde in ihr, sagt Mina Tander. Wer diese Sensibilität nicht mitbringt, hält die 29-Jährige einfach für eine der jungen, hübschen, modebewussten Frauen, die im Café Anna Blume in Prenzlauer Berg bei grünem Tee und Rhabarberschorle die Zeit bis zur Familiengründung überbrücken. Wie ein Fremdkörper wirkt die gebürtige Kölnerin hier nun wirklich nicht - auch wenn ihre braunen Augen und die breiten Wangenknochen ihr eine unbestimmte Exotik verleihen.

Spurensuche in Indien

Im vergangenen Jahr ist Mina Tander mit ihrem Ehemann, dem Regisseur Elmar Fischer, den sie bei den Dreharbeiten zu dem Kinofilm "Fremder Freund" kennenlernte, zwei Monate lang durch Indien gereist. Dieser Urlaub war für sie nicht nur deswegen etwas Besonderes, weil es der mit Abstand längste ihres Lebens war, sondern vor allem weil er sie ihren eigenen Wurzeln näher gebracht hat.

Mina Tander: Die 29-jährige Schauspielerin deutsch-afghanischer Herkunft ist ab heute in Neele Leana Vollmars neuem Film "Maria, ihm schmeckts nicht" in der Rolle der deutsch-italienischen Braut Sara zu sehen.

Der Film: Jan (Christian Ulmen) liebt Sara und will sie auf ganz unspektakuläre Weise auf dem Standesamt ehelichen. Doch nicht mit Saras temperamentvollen Vater Antonio (Lino Banfi): Der will nämlich, dass seine Tochter ein üppiges Fest alla siciliana veranstaltet - und zwar im italienischen Heimatdorf Campobello. Dort kommen Jan bald Zweifel, ob das so das Richtige ist mit Sara.

Die Vorlage: Jan Weiler lieferte mit seinem autobiografisch inspirierten gleichnamigen Bestseller aus dem Jahr 2003 die Vorlage für den Film. Sein Buch verkaufte sich über 1,7 Millionen Mal.

Denn mehr noch als die anderen Backpacker, die sie tagsüber im Zug traf und abends im Hostel, war Mina Tander in Indien auf der Suche nach sich selbst. "Durch diese Reise habe ich besser verstanden, wo manches herkommt in meiner Persönlichkeit", sagt sie, etwa ihre "drastische Emotionalität", die deutsche Freunde manchmal befremdet. "Das hat mich beruhigt."

Ursprünglich hatte sie endlich Afghanistan sehen wollen, die Heimat ihres Vaters, doch wer macht schon gern Urlaub im Krieg? Indien erwies sich als guter Plan B. "Ich habe schnell festgestellt, dass Indien nicht so weit von Afghanistan entfernt ist wie Deutschland", sagt Mina Tander. "Ich habe mich da gleich unheimlich zu Hause gefühlt." Richtig beschreiben kann sie nicht, was sie in Indien gefunden hat. Auf jeden Fall hat sie positiv gestimmt die Rückreise angetreten, nach Hause, nach Deutschland: "Ich kam zurück und merkte, dass ich das, was ich mache und wie ich lebe, sehr, sehr mag."

In Neele Vollmars Verfilmung von Jan Weilers Bestseller "Maria, ihm schmeckts nicht", die heute in den Kinos anläuft, spielt die Halbafghanin die Halbitalienerin Sara, die zwischen zwei Männern steht: ihrem deutschen Verlobten Jan und ihrem italienischen Vater Antonio Marcipane. Es ist eine Hauptrolle, Mina Tanders erste in einer solch großen Produktion, aber eine von der Sorte, die man eigentlich für ausgestorben hielt. Mina Tanders Funktion beschränkt sich darauf, gut auszusehen, dem Zuschauer begreiflich zu machen, warum ihr Verlobter die eine oder keine will. Damit ist Mina Tander hoffnungslos unterfordert - was sie selbst natürlich niemals so formulieren würde. Sie sagt es so: "Wenn man mir noch mal die Rolle einer leidenschaftlichen Italienerin gibt, bin ich auch gern bereit, noch ein paar Facetten mehr zu zeigen."

Mina Tander, die ihr Kinodebüt 1998 in "Over the rainbow" gab, ist zu professionell, um sich über solche eindimensionale Rollen aufzuregen. Weil es das Buch und die Regisseurin verlangten, hat sie sich eben selbst zurückgestellt und ihren Filmpartnern Christian UImen sowie dem in Italien wie eine Gottheit verehrten Lino Banfi den großen Auftritt überlassen, ganz so, als befolge sie ein altes italienisches Sprichwort: Hahnenkampf ist nichts für Hennen. "Ich bin keine klassisch komödiantische Figur in dem Film", sagt Mina Tander kühl. "Meine Aufgabe ist es, hin und her gerissen zu sein zwischen zwei Männern und zwei Kulturen." Punkt.

Es ist eine undankbare Rolle - und es ist die Rolle ihres Lebens.

Nicht nur die Zerrissenheit zwischen zwei Kulturen kennt Mina Tander gut ("Ich würde nicht sagen, dass ich mich unter Deutschen afghanisch fühle, aber irgendwas fühlt sich anders an - wenn auch nur in meinem Kopf"), sondern auch Italien, das ihr die zweite Heimat geworden ist, die Afghanistan nie werden konnte. Mit 16 kam sie zum ersten Mal in den Ferien dorthin, nach dem Abitur hat sie ein halbes Jahr in Rom gelebt und sogar überlegt, Deutsch-Italienische Studien zu studieren, da kamen ihr, die nie eine staatliche Schauspielschule besucht hat, allerdings die ersten Film- und Fernsehrollen dazwischen. Was ihr an Italien gefällt? "Die Teile meiner Persönlichkeit, die nicht so recht nach Deutschland passen, sind da gut aufgehoben", sagt sie und fügt belustigt an: "Da gelte ich ja noch eher als zurückhaltend."

Mina Tanders deutscher Ehemann hat seinen afghanischen Schwiegervater nie kennengelernt. Der Vater starb, als Mina sechs war. Gerade weil er weg ist, ist er immer da. Mina Tander macht sich manchmal Gedanken darüber, ob er ihren Weg gut geheißen hätte oder sich einen anderen, intellektuelleren Beruf für seine Tochter gewünscht hätte - Spekulationen, denn sprechen konnten sie nie darüber.

Auch wenn ihre deutsche Mutter Mina Tander viel von ihrem Vater, einem aufgeklärten linken Journalisten, erzählt hat und sie sogar einige Aufzeichnungen ihres Vaters lesen konnte, der ein beinahe perfektes Deutsch schrieb, aber mit Akzent sprach, wie sie erst Jahre nach seinem Tod auf einer Kassettenaufnahme bemerkte, bleiben viele Leerstellen: "Ich glaube, dass es ein harter innerer Kampf ist, die Diskrepanz zwischen Bauch und Kopf, zwischen Tradition und Intellekt, auszuhalten." Glaubt sie, weiß es aber nicht, dafür ist sie viel zu sehr integriert - so sehr, dass ihr, wie sie selbst erstaunt feststellt, trotz allen Nachdenkens über ihre Andersartigkeit im Gespräch einmal ein "Wir Deutschen" herausrutscht.

Ein kleiner Ausbruch

Wie zum Beweis dafür, dass das alles nicht nur selbstbezügliches Gelaber ohne Substanz war, liefert Mina Tander dann noch eine klitzekleine Kostprobe ihrer "drastischen Emotionalität". Zum Glück kommt man selbst ohne Ohrfeige davon, denn Mina Tanders Zorn richtet sich gegen einen Kollegen von der Süddeutschen Zeitung, der seinen Artikel über die Münchner Premiere von "Maria, ihm schmeckts nicht" mit der Gemeinheit garniert hat, dass Mina Tander "im roten Kleid ihre farblose Rolle zwischen zwei Vollblutkomikern wettzumachen versucht". Als man sie darauf anspricht, kommt schlagartig Bewegung in ihren Körper, sie bäumt sich auf, verschränkt die Hände im Haar und koffert los. Ein paar Tage später ist der Ärger allerdings so weit verraucht, dass Mina Tander ihren Ausbruch nicht mehr in der Zeitung lesen will und das Zitat nicht freigibt. Da ist sie wieder ganz Profi.

Nach der Promoarbeit für "Maria, ihm schmeckts nicht" und den wenigen Drehtagen als Bushidos Mutter in der Eichinger/Edel-Verfilmung der Rapper-Biografie wird Mina Tander wieder mehr Zeit haben, an dem Krimi-Drehbuch zu arbeiten, das sie gemeinsam mit ihrer Kollegin Rike Schmid schreibt. "Die Schauspielerei ist ein sehr schöner Beruf", sagt Mina Tander, "aber ich strenge auch gern mal exklusiv meinen Kopf an und nicht nur peripher wie in der Vorbereitung auf eine Rolle. Beim Spielen selbst sollte man den Kopf ja eher ausschalten."

Dass sie neben ihrer Sehnsucht nach Beständigkeit im unsteten Schauspielerleben eine gewisse Unzufriedenheit mit den ihr angebotenen Rollen zu diesem Projekt animiert hat, schafft es dann auch nicht durch die Autorisierung der Zitate. Hier befolgt Mina Tander ein tatsächlich existierendes Sprichwort - wenn auch kein italienisches. Es lautet: Die Hand, die einen füttert, beißt man nicht. Schade. Ein bisschen mehr Biss hätte man ihr gewünscht - so manchem Schauspielkollegen übrigens auch. So ein leichtes Zwicken hält die Hand schon aus.

Mina Tanders Rolle ist eine, die man eigentlich für ausgestorben hielt. Ihre Funktion im Film beschränkt sich darauf, gut auszusehen, dem Zuschauer begreiflich zu machen, warum ihr Verlobter die eine oder keine will. Damit ist sie hoffnungslos unterfordert - was sie selbst natürlich niemals so formulieren würde

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