WolframAlpha im ersten Test: Dem Internet knappe Fragen stellen

Einige reden vom "Google-Killer", andere von einem Nischenprodukt: Die "Wissensmaschine" WolframAlpha ist endlich für Fragen offen. Ein kleiner Test zeigt, was sie drauf hat.

Einfache Fragen bitte! Ein neuer Suchschlitz ist geboren - oder sollte man Frageschlitz sagen? Bild: screenshot wolframalpha.com

BERLIN taz | Zumindest das Wetter wollte nicht recht mitspielen, als der Physiker und Geschäftsmann Stephen Wolfram in der Nacht zum Samstag seine neue "Wissensmaschine" WolframAlpha in Betrieb nahm: Im Hauptquartier in Champaign, Illinois, gab es einen heftigen Gewittersturm.

Dann fiel kurz vor dem so genannten Soft Launch, den man extra einige Tage vor den "echten" offiziellen Start an diesem Montag gelegt hatte, auch noch der Livestream aus. Dieser sollte eigentlich die letzten Vorbereitungen aus der Datenzentrale übertragen, die ein wenig an ein Raketenkontrollzentrum der NASA erinnerte.

Nach einer halben Stunde schien dann doch alles langsam zu laufen. Nach und nach gingen mehr Server für WolframAlpha.com online, im Chat zur Videoübertragung tauchten die ersten Links zu Suchergebnissen auf. Etwas später dann konnten Nutzer aus aller Welt die Seite, an der Wolfram und sein Team fünf Jahre lang gearbeitet hatten, erstmals benutzen und auf Herz und Nieren testen.

Stephen Wolfram selbst nennt sein Produkt eine "computational knowledge engine", eine Maschine, die Wissen berechnen kann. Dazu verwendet sie im Hintergrund die von Wolfram entwickelte Software "Mathematica", die zu den weltweit am stärksten verwendeten mathematisch-naturwissenschaftlichen Anwendungen zählt.

Die Software entwickelte sich aus einem Computer-Algebra-System zum riesigen Paket zur Informationsverabeitung und Visualisierung. "Ohne Mathematica wäre WolframAlpha nicht möglich", sagte denn auch Firmenchef und Erfinder Wolfram.

Ein erster Test

Stephen Wolfram zufolge sollen die Wissensgebiete nach und nach erweitert werden. Einiges funktioniert heute schon erstaunlich gut. Wer beispielsweise "Apple + Pear" eintippt, erhält eine Nährwerttabelle für ein Gericht bestehend eben aus einem Apfel und einer Birne - samt Kalorienangaben und Inhaltsstoffen.

Es wird einem angeboten, statt des unbehandelten Apfels einen "getrockneten Apfel" oder einen "geschälten Apfel" ausrechnen zu lassen. Oder etwas ganz anderes mit Apfel zu meinen, und die Eingabe zu spezifizieren - alles auf Englisch, versteht sich, denn andere Sprachen kann WolframAlpha nicht.

WolframAlpha lässt sich ganz anders bedienen als Google, eine Web-Suche erfolgt nicht. Statt Schlagwörtern, kann man kleine Fragen formulieren. Etwa: "Who is president". Das angenehm Überraschende: WolframAlpha spuckt auf diese Frage tatsächlich "Horst Köhler" aus.

Fragt man, "Who is president in america" gibt es dann "Barack Obama" als Antwort - andere amerikanisches Staaten werden freilich unterschlagen.

WolframAlpha gibt eben keine Linklisten aus, keine großen Lexikoneinträge, sondern einfache Antworten auf einfache Fragen. Das klappt oft nicht, weshalb einen WolframAlpha in der rechten Spalte ein paar Tipps gibt, was man ihn doch bitte fragen möchte.

Vorzugsweise sind das mathematische Frage wie "10.000 Euro plus 15 Prozent", physikalische Probleme wie der Vergleich der Lichtgeschwindigkeit mit der eines Autos, Finanzdaten von Firmen oder auch Unterschiede zwischen Orten.

Die Eingabe eines Namens zeigt an, wie häufig er in den USA derzeit vorkommt, was natürlich auch im direkten Vergleich mit mehreren über den Operator "vs." (gegen) funktioniert.

Wer "Berlin" eingibt, erhält Basisdaten der Stadt samt Temperatur und Karte; wer in Europa sitzt, das hiesige Berlin, wer in den USA wohnt, das ihm am nächsten gelegene.

Das Handling und die Übersichtlichkeit sind grundsätzlich gut. In vielen Fällen kann man weitere Informationsbereiche abrufen, wenn man auf "More" klickt oder die Eingabeart, die die Wissensmaschine automatisch so gut wir möglich zu interpretieren versucht, verändert.

Etwas merkwürdig ist die technische Darstellung der Antworten: Selbst Texttabellen werden als Bilder angezeigt. Deren Inhalt lässt sich erst kopieren, wenn man sie anklickt, was für viele Nutzer etwas umständlich sein dürfte.

Wenn WolframAlpha zwischenzeitlich überlastet ist, was am Wochenende noch des Öfteren vorkam, erscheint mit "I'm sorry Dave, I'm afraid I can't do that..." eine kleine Hommage an HAL, den Computer aus dem Science Fiction-Klassiker "2001" - verbunden mit dem Hinweis, dass die Testlast des Systems temporär überschritten sei.

Wenn WolframAlpha aber funktioniert, ergeben sich zum Teil faszinierende Wissenswelten - besonders für Menschen mit naturwissenschaftlichem Hintergrund. Eine Beispielgalerie zeigt, was die Software jetzt schon kann. Zu den Quellen gehören unter anderem Wolfram-eigene Daten, Online-Lexika wie Wikipedia oder Britannica, Statistiken der US-Regierung und vieles mehr.

Auf anderen Wissensgebieten versagt WolframAlpha dagegen derzeit noch komplett ("WolframAlpha ist sich nicht sicher, was es mit dieser Eingabe anfangen soll") oder liefert nur sehr eingeschränkte Informationen.

Bill Gates ist beispielsweise nur ein "Geschäftsmann", dessen Geburtsdatum und Geburtsart die Wissensmaschine kennt, während "9/11" allein als "World Trade Center zerstört" angezeigt wird - plus der Orte der Anschläge, mehr nicht.

Ein tolles Spielzeug

Eigentlich haben wir uns doch daran gewöhnt, unser Wissen über Google und Wikipedia zu stillen - und uns den Erfordernissen der Schlagwort-Suche angepasst. Spielen allerdings kann man besser mit Wolfram.

Dazu werden wir jetzt persönlich - und fragen die junge Maschine, "Do you speak German?" Antwort: Das System hoffe, viele Sprachen zu erlernen, könne bislang aber nur Englisch. "What's your name?" ergibt folgerichtig "Mein Name ist WolframAlpha". Auf "Hello" antwortet die Wissensmaschine selbstverständlich genauso knapp mit "Hallo, Mensch".

Überraschend ist die Textsicherheit bei Songs: Wer "How Many Roads Must a Man Walk Down" eingibt, bekommt mit Bob Dylan "the answer, my friend, is blowin' in the wind" zurück. Die Frage "How many roads" wird mit Angaben zu den längsten Straßennetzen der Welt (USA vor Indien) informativer, wenn auch weniger unterhaltsam beantwortet.

Wer erfahren will, wie lange er schon auf diesem Planeten ist, gibt einfach sein Geburtsdatum ein - sogar die Mondphase und die Sonnenaufgangs- und Sonnenuntergangszeit wird dann genannt - historische Ereignisse allerdings unterschlagen.

"Wo bin ich?" ("Where am I?") dürfte jeden interessieren, der sich gerade verlaufen hat. Die Ausgabe des aktuellen Internet-Providers inklusive eines Näherungswertes der aktuellen Stadt, die mit Hilfe eines so genannten GeoIP-Filters bestimmt wird, mag sich zwar gespenstig anfühlen, ist im Internet aber zur genauen Anzeige von Werbung längst gang und gäbe.

Außerdem ist WolframAlpha ein SuperTool für englischsprachige Kreuzworträtsler: Man muss nur die fehlenden Buchstaben durch "_" ersetzen. Die Eingabe von "A__le" gibt alle passenden Begriffe von "Adele" über "Ankle" bis "Apple".

Für alle Fälle ein Link auf Google

Damit man auch wirklich immer Fakten erhält, finden sich zur Not ganz uneitel Links auf Googles Websuche und Wikipedia auf der rechten Spalte. Über solche und ähnliche Probleme von WolframAlpha machten sich am Wochenende bereits Online-Satiriker lustig, die mit "WolframsBeta.com" eine "noch bessere zweite Version" der Wissensmaschine ins Netz stellten.

Ihr Suchergebnis lautet auf jede Frage stets "42", die eine Antwort auf die ultimative Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest aus dem Kultbuch "Per Anhalter durch die Galaxis".

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