Wegen Tibet-Berichterstattung: Chinas "Hacktivisten" attackieren CNN

Weil der Sender angeblich zu einseitig berichtet, geriet die CNN-Website vergangenen Woche unter Beschuss chinesischer Hacker. Ein neuer Angriff ist angeblich aktuell geplant.

"200 Millionen nationalistisch gestimmte Chinesen könnten sich koordinieren" und damit die Kapazität jedes anderen Angriffsnetzes übertrumpfen. Bild: ap

Wie der US-Nachrichtensender CNN in dieser Woche mitteilte, haben chinesische Hacker am vergangenen Donnerstag weitgehend erfolglos versucht, seine Website CNN.com mit einer großen "Distributed Denial of Service"-Attacke ("DDoS") lahm zu legen - als Reaktion auf eine ihrer Meinung nach einseitige Berichterstattung zum Thema Tibet. Bei DDoS-Angriffen versuchen üblicherweise zahlreiche Rechner im Netz, einen Server mit fehlerhaften Anfragen zu überfluten, die ihn dann auch für legitime Informationsabrufe unerreichbar machen.

CNN zeigte sich in diesem Fall allerdings erstaunlich gut vorbereitet: Die Technikverantwortlichen des Senders hatten früh genug von der Aktion, zu der es mehrere große Aufrufe im chinesischen Internet gegeben hatte, Wind bekommen und technische Gegenmaßnahmen ergriffen. Darunter leiden mussten schließlich allerdings CNN.com-Leser aus dem asiatischen Raum: Die Sender-Administratoren entschlossen sich, einfach die zulässige Anzahl von Anfragen aus der Region auf die Seite zu reduzieren. Dadurch blieb auch die Tür für Angreifer weitgehend geschlossen und sie konnten die DDoS-Datenflut zu großen Teilen nicht absetzen - die Server machten einfach ab einem gewissen Punkt "dicht". Die Rechner, die die Attacke auslösten, sollen zum größten Teil Einzelpersonen gehört haben. Aber auch so genannte Botnetze waren beteiligt, bei denen zuvor geknackte PCs ferngesteuert werden, um Ziele im Netz anzugreifen.

Mindestens drei Stunden lang kam es dadurch zu einem erhöhten Bandbreitenverbrauch bei CNN. Parallel gelang es einer Gruppe chinesischer Hacker, das Angebot der CNN-Schwester "Sports Illustrated" mit einem Hinweis auf die ewige Zugehörigkeit Tibets zu China zu verändern - eine Form von Web-Graffiti. Die Attacke war zuvor über verschiedene Websites koordiniert worden und lief in mehreren Wellen ab, was die CNN-Administratoren auf Trab hielt. Ganz beendet ist die Aktion außerdem wohl noch nicht: Angeblich ist laut Berichten in IT-Sicherheits-Blogs für diesen Freitag ein weiterer Angriff geplant.

Der Vorfall ist nur ein Beispiel für die Aktionen so genannter "Hacktivisten" aus China, die sich selbst eher als Online-Demonstranten sehen denn als echte Hacker. Die Teilnahme gestaltet sich entsprechend simpel: Passende Angriffsprogramme werden zum Teil einfach zum Download angeboten, sagen Experten, in diesem Fall kursierte gar eine Software namens "Anticnn.exe". Der Sicherheitsforscher Dancho Danchev, der den CNN-Angriff beobachtet hat, nennt die Angriffe auch "Informationskrieg durch das Volk": Statt militärischer Lenker stehen Einzelpersonen dahinter, die Aufrufe starten.

Befeuert werden solche Kampagnen aber auch durch staatliche Propaganda - und verletzte Symbole des Nationalstolzes. Das jüngste Beispiel ist der durch Pro-Tibet-Aktivisten gestörte Fackellauf zu den olympischen Spielen in Peking in diesem Sommer, über den westliche Medien in aller Welt nach Meinung vieler Chinesen nicht neutral berichten, sondern verzerrt.

Selbst die deutsche Tagesschau-Website war in diesem Zusammenhang bereits von leichten Web-Angriffen betroffen, als Tausende chinesische Besucher in der letzten Woche versuchten, eine Umfrage zum Thema zu ihren Gunsten zu manipulieren. Danchey glaubt, dass das chinesische Internet-Volk, das inzwischen die Größe der amerikanischen Nutzerschaft überholt hat, noch zu viel mehr fähig ist. "200 Millionen nationalistisch gestimmte Chinesen könnten sich koordinieren" und damit die Kapazität jedes anderen Angriffsnetzes übertrumpfen, meint er.

IT-Sicherheitsberater Richard Stiennon hält die chinesischen Hacktivisten für eine "merkwürdige Form von Private-Public-Partnership". Angriffe erfolgten nicht selten nach politischen Ereignissen, bei denen sich das Land übergangen fühle. Laut einem Bericht des "Wall Street Journal" werden Internet-Aktivisten von den chinesischen Propagandisten zumindest milde befördert, so lange sie nicht all zu sehr außer Kontrolle geraden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.