811 Informationen pro User - jeden Monat: Die Sammelwut der Web-Werber

Eine Studie legt offen, wie viele Informationen die großen Web-Werbenetze von Google oder Yahoo wirklich über ihre Nutzer sammeln: Jeden Monat Hunderte Milliarden.

König der Datensammler: der kriselnde Yahoo-Konzern. Bild: dpa

Wer im Internet surft, Suchbegriffe eingibt oder E-Commerce-Transaktionen durchführt, hinterlässt Spuren im Netz. Den meisten Nutzern ist das auch durchaus bewusst. Doch der tatsächliche Umfang an Informationen, den die großen Werbenetze von Google, Microsoft, Yahoo, AOL oder Fox Interactive tagtäglich sammeln können, ist vielen Usern unbekannt. Eine neue Studie des Online-Marktforschungsunternehmens Comscore, die von der New York Times in Auftrag gegeben wurde, nennt nun erstmals Zahlen. Demnach zeichnen die erwähnten fünf größten Web-Unternehmungen Monat für Monat mindestens 336 Milliarden so genannte "Datenübertragungsereignisse" auf - es können aber auch deutlich mehr sein.

Sinn der großen Datensammelleidenschaft: Mit Hilfe dieser Informationen lassen sich gezielt Werbeeinblendungen vornehmen, die die Web-Firmen teuer verkaufen können. Über die IP-Adresse des Nutzers wird so beispielsweise die Region erfasst, aus der er stammt, um passende Anzeigen einzubinden. Kennt man noch andere Informationen, aus denen man beispielsweise das mögliche Einkommen ableiten kann, werden die Werbeflächen noch deutlich interessanter.

Zu den gesammelten Informationen gehören eingetippte Suchanfragen, angezeigte Banner, abgerufene Videos oder Web-Seiten, die vollständig geladen wurden. Aber auch Partnerangebote im Netz, bei denen Einkäufe möglich sind, können Daten zurückübertragen. So arbeitet beispielsweise das Portal Yahoo mit dem Online-Auktionshaus eBay zusammen. Zu den übertragenen Informationen gehörten beispielsweise die Postleitzahl des Nutzers, ob er sich für Reisen oder Promiklatsch interessiere oder ob er gerade bei einer Online-Apotheke eingekauft habe, schreibt die New York Times. Besonders Suchanfragen seien wertvoll.

Laut der Untersuchung ist besonders Yahoo in Sachen Nutzung dieser Online-Verhaltensdaten ("Behavioral Targeting") sehr aktiv. Durch das große eigene Angebot entstünden Möglichkeiten, insgesamt 110 Milliarden Datensammlungen im Monat anzulegen - macht im Durchschnitt 811 pro Nutzer. Weitere Informationen ließen sich an 1700 weiteren Stellen im Web aufzeichnen, mit denen das Portal zusammenarbeitet. In der Statistik für den Monat Dezember 2007 knapp dahinter folgen die Fox Interactive-Tochter MySpace und der Online-Dienst AOL mit seinen Subunternehmen. Auf Platz 4 ist Google vertreten, dessen Werbenetz "Adsense" inzwischen auf zahlreichen wichtigen Seiten weltweit vertreten ist. Microsoft landete hingegen abgeschlagen auf Platz 5, erreichte Ende 2007 nur etwas mehr als die Hälfte der Datensammelpunkte, die bei Google anfallen können. Da ist es eigentlich kein Wunder, dass sich der Softwarekonzern, der gerne stärker im Online-Werbegeschäft vertreten wäre, so deutlich für eine Übernahme des Behavioral Targeting-Branchenprimus Yahoo interessiert.

Illegal agieren die Web-Riesen keinesfalls: In ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen und "Privacy Policies" weisen die großen Netzwerke darauf hin, was mit den Daten der Nutzer geschieht - wobei man stets auf örtliches Datenschutzrecht pocht, das in den USA deutlich weniger scharf ist als in Europa. Auch wird stets betont, dass man Informationen anonymisiere, also beispielsweise Nutzername und Adresse, falls bekannt, von seinem Online-Verhalten trenne. Dennoch werden mit Hilfe so genannter Cookies einzelne Rechner erfassbar: Yahoo, Google & Co. schreiben kleine Datenschnipsel auf die Festplatte, so dass das Verhalten eines Nutzers auch dann noch eine zusammenhängende Sammlung bleibt, falls dieser sich mit einer frischen IP-Adresse später neu ins Netz einwählt.

Problematisch ist am Behavioral Targeting vor allem, dass sich Nutzer inzwischen problemlos über zahlreiche Seiten verfolgen lassen. Die großen Werbenetze arbeiten mit vielen Partnern zusammen. Wenn man sich beispielsweise bei Google in das E-Mail-Programm eingeloggt hat und dann ein Weblog besucht, dass innerhalb des Google-Dienstes Blogger.com läuft, lassen sich einfach Verbindungen herstellen. Die Ironie dabei: Es ist unklar, ob die Werbetreibenden tatsächlich derart viele kleinteilige Informationen brauchen. Stephan Noller, Vorstand beim Berliner Online-Werbespezialisten nugg.ad, denkt etwa, dass die vielen persönlichen Informationen, die in sozialen Netzwerken anfallen, große Markenartikler eher überfordern: "Es rechnet sich schlicht nicht, Werbung an derart feingliedrige und kleine Gruppen auszuliefern, denn die Werbung muss ja geplant, erzeugt und gesteuert werden."

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