Wikileaks.de nicht erreichbar: Von Kinderporno-Listen und dem BND

Die deutsche Web-Adresse des Wikileaks-Projekts, das unliebsame Dokumente ins Netz stellt, wurde kürzlich gesperrt. Das rief allerlei Verschwörungstheorien auf den Plan.

Über die Gründe der Stilllegung von Wikileaks.de blieben die Besucher im Dunkeln. Bild: ap

Theodor Reppe ist derzeit nicht zu beneiden. Der Online-Aktivist aus Dresden ist Inhaber der Internet-Adresse "wikileaks.de". Die tat seit ihrer Registrierung nichts anderes, als auf die englischsprachige Originalseite des gleichnamigen Free Speech-Projektes zu verweisen. Wikileaks hat es sich zur Aufgabe gemacht, für Regierungen, Unternehmen und andere Institutionen unangenehme Dokumente vorzuhalten und Whistleblowern die Möglichkeit zu geben, Informationen ohne Angst vor Verfolgung einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen.

Das Projekt ist so aufgestellt, dass es möglichst schwierig wird, einmal veröffentlichte Beiträge wieder zurückzunehmen - ein verteiltes Netz diverser Server auf der ganzen Welt soll das sicherstellen. Veröffentlicht wurden inzwischen unter anderem Dokumente, die einer Schweizer Bank Geldwäsche vorwarfen sowie Informationen darüber, wie Staaten zukünftig das Urheberrecht verschärfen wollen. Kritik gab es aber auch aufgrund mangelnder redaktioneller Kontrolle der Inhalte, die laut den Projektbetreibern jedoch geprüft würden.

In Deutschland kam Wikileaks zuletzt in die Schlagzeilen, weil dort mehrere so genannte Sperrlisten veröffentlicht wurden, die Websites enthalten, die in bestimmten Ländern blockiert werden. Darunter war auch die der australischen Regierung. In dem Land wird ein Filter eingesetzt, um unter anderem kinderpornografische Darstellungen zu sperren; er gehört zu den Vorbildern der deutschen Familienministerin Ursula von der Leyen, die eine ähnliche Einrichtung wünscht und diese gerade zusammen mit dem Bundeswirtschaftsministerium in ein Gesetz gießen möchte. Eine weitere solche Liste, die von Wikileaks ins Netz gestellt wurde, stammte aus Dänemark.

Und das fiel wiederum Reppe auf die Füße: Den suchten Ende März Beamte im Auftrag der Dresdner Staatsanwaltschaft zuhause auf und nahmen seine Hardware mit. Der Grund der Hausdurchsuchung: Wikileaks.de diene der Verbreitung kinderpornografischer Schriften, eben jenen genannten Sperrlisten inklusive Links. Reppe blieb dabei nicht der einzige Beschuldigte: Im Zuständigkeitsbereich des Landgerichts Karlsruhe bekam ein Blogger bereits im Februar unangemeldeten Besuch von Polizisten, weil er auf seiner Seite einen Link auf ein weiteres Blog gesetzt hatte, das wiederum auf die Wikileaks-Liste verlinkte.

Noch ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Reppe - Ausgang zunächst ungewiss. Immerhin erhielt der Internet-Aktivist nach eigenen Angaben nach einer Woche seinen Rechner zurück, mit tatkräftiger Unterstützung des auf Online-Recht spezialisierten Düsseldorfers Anwalts und Bloggers Udo Vetter.

Allerdings war es das noch nicht. Kurz vor Ostern ging der Fall in eine weitere, bizarrere Runde. Am 9. April wurde Reppes Domain wikileaks.de laut Angaben des Wikileaks-Projekts "ohne Vorwarnung durch die deutsche Registrierungsstelle Denic gesperrt". Adressbesitzer Reppe äußerte sich zunächst nicht, während die Wikileaks-Betreiber eifrig über das Engagement der deutschen Behörden spekulierten, "eine ganze Presseorganisation wegen einem von hunderttausenden Dokumenten zu schließen".

Inzwischen hat sich herausgestellt, was wirklich vorgefallen ist: Reppes Internet-Provider war offensichtlich schuld. Der hatte ihm bereits im November den Vertrag gekündigt und sollte die Domain eigentlich mit Auslaufen desselbigen überstellen, damit sie an einen anderen Anbieter weitergereicht werden kann. Doch das geschah nicht, stattdessen erfolgte eine Abschaltung, seither findet sich auf wikileaks.de nur eine Fehlerseite der für ".de"-Adressen zuständigen Registrierungsstelle Denic. Die reagierte auf die Wikileaks-Vorwürfe prompt und wies jede schuld und jedes staatliche Engagment zurück.

Reppe nahm derweil inzwischen in einem Interview mit der Szene-Website "Gulli" Stellung: "Nicht hinter allem, was böse aussieht, steckt der Staat." Offensichtlich habe es Missverständnisse mit dem Provider gegeben. Dessen Kündigungsgrund für Reppes Vertrag ist dann aber doch wieder ziemlich interessant: Der hatte im November vergangenen Jahres nämlich versucht, sich eine bekannte Domain eines staatlichen Organs zu sichern: "bnd.de".

Die Schlapphüte hatten in ihrem Adresseintrag nach Denic-Regeln unzulässige Angaben gemacht, darunter eine Postfachadresse. Reppe hatte deshalb laut eigenen Angaben "eher als Scherz" versucht, sich die Domain übertragen zu lassen. Das scheiterte jedoch an seinem Provider, der wohl daraufhin offenbar die Lust verlor, mit dem Kunden weiter zusammen zu arbeiten. (Er schwört Stein und Bein, dass der BND selbst damit nichts zu tun hatte.) Monate später dann das Resultat aus der Vertragsauflösung: Wikileaks.de ging versehentlich offline. Reppe besitzt die Domain aber noch und will sie demnächst zu einem anderen Anbieter umziehen.

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