Zum 50. Geburtstag: Als Madonna das Voguen lernte

Eben noch Backgroundsängerin für Patrick Hernandez, am Samstag wird Madonna schon 50: kein Alter für eine Queen of Pop eigentlich, trotzdem: Glückwunsch!

Arme wie ein Bodybuilder, ein Lächeln wie eine Pop-Königin. Bild: dpa

Kaum ein Popstar verkörpert die Tugenden Ehrgeiz und Selbstdisziplin so sehr wie Madonna. Tagtäglich arbeitet sie mit hochgekrempelten Ärmeln an ihrer Marke. Denn der gemeine Madonnajünger lässt sich nicht mit dem selben Brei abspeisen. Brav erwartet er ihre neue Identität, wenn so ein neues Madonna-Album dann wieder den Markt betritt.

Heute erfinden sich solche Identitäten freilich auch nicht mehr von alleine, selbst eine Queen of Pop braucht Inspiration. Und die holt sie sich seit jeher auf der Straße und in den angesagtesten Clubs dieser Welt. Dabei fleddert Madonna fleißig die Zeichen der Subkulturen.

Angefangen hatte alles Anfang der Achtziger in New York: Post-Disco, No Wave und HipHop revolutionierten gerade die Popkultur: Die damals noch nicht als queer gelesenen B-52's hatten mit "Rock Lobster" einen Hit, der Hip-Hop-Erneuerer Africa Bambaataa verpasste dem Sound von Kraftwerk den nötigen Groove und erfand nebenher Electro, aus dem später in Detroit Techno entwickelt werden sollte. E.S.G und Liquid Liquid spielten Funk und Disco im Geiste von Punk neu. Nach ein paar Jahren im karnevalistischen Mainstream hatte sich Disco wieder in den schwarzen und schwulen Underground zurückgeschlichen und wurde durch so unterschiedliche Leute wie Arthur Russell oder Kid Creole revitalisiert. Es war genau jene Zeit, als Madame Chiccone das triste Michigan verließ, um nach Gotham zu fliehen.

Zunächst heuerte sie beim Disco-Produzenten Patrick Hernandez als Backgroundsängerin an, was Madonna aber schon bald unterforderte. Sie lernte Gitarre spielen und Drums und hippe DJs wie Mark Kamins und John "Jellybean" Benitez schneiderten ihr dann die ersten Songs auf den Leib, von denen "Holiday" schließlich zum Welthit werden sollte.

Zügig tauchte die Sängerin im Mainstream auf und veröffentlichte in den nächsten Jahren konstant gutverkaufende Alben mit Hits, und aber auch einigen schlechten Songs. Von ihrer liebsten New Yorker Subkultur, den Homosexuellen, hatte sie sich natürlich nie ganz verabschiedet - man denke nur an "Vogue" und das dazugehörige Video, das ohne Hilfe des schwulen schwarzen Undergrounds niemals hätte entstehen können.

Ein Großteil ihrer anderen Videos natürlich auch nicht. Madonna ging sogar soweit, schwule Männer zu re-heterosexualisieren, wie in ihrem Track "Justify my love". Der neben Madonna andere "Vogue"-Darsteller Tony Ward, die spätere Muse von Queer-Cinema Ikone BruceLa Bruce, könnte ein Lied davon singen.

Ihr Prinzip, mit den jeweiligen Hipstern zusammenzuarbeiten und in subkulturellen Untiefen nach neuen Trends zu fischen, bescherte ihr in den späten Neunzigern einen "zweiten Frühling": Als hätte Madonna jemals einen Herbst erlebt! Mit Hilfe jüdisch-kabbalistischer Geheimlehren und einigen Eckpfeilern des elektronischen Dancefloors (Mirwais, Stuart Price oder William Orbit) sollte die Popwelt künftig auf den Kopf gestellt werden. Einher mit ihrer Entdeckung der Sefirot ging der Drang, auch in musikalischer Hinsicht Neuland betreten.

Plötzlich fand noch der affigste Kritiker Geschmack an TripHop und Elektronik-Skulpturen der Queen of Pop und bescheinigte ihr Stilbewusstsein. So ging es fast durchgehend in den letzten zehn Jahren, sieht man ab von "American Life", der saure Drops unter Madonnas Alben, mit seiner etwas unglücklich formulierten Kritik am Irak-Krieg, weswegen sie gar das Video zur Single zurückziehen musste.

Im Frühjahr erschien mit "Hard Candy" ihr mittlerweile elftes Studioalbum, produziert von Timbaland und Pharrell, also jenen Toningenieuren, die sich sowieso schon 70 Prozent aller auf dem Markt erfolgreichen Popsongs teilen, die in den letzten Jahren noch als Clip im Programm des Musiksenders MTV laufen durften. Ein Album, produziert von diesen Fließbandarbeitern zeugt in 2008 allerdings nur noch bedingt von Wagemut und Innovationsdrang. Auch eine Popdiva muss wohl mal mit Pharrell und Timbaland gearbeitet haben, so wie jeder Landjunge einmal im Leben eine Kuh umgeworfen haben muss. Es verwundert daher nicht, dass das Madonna-artigste Video dieser Tage von dem New Yorker Discoprojekt Hercules & Love Affair stammt.

Mit ihrem fulminanten Debütalbum knüpften Hercules&Love Affair im Februar ohnehin an genau jenes Goldene Zeitalter im New York der frühen Achtziger an, als Madonna das Voguen lernte. Nie wieder seit ihrem gleichnamigen Song wurde so getanzt wie in dem eisig-schönen Video zu "You belong". Noch nie gab es so viele Tony Wards in einem einzigen Clip zu bestaunen, schwarze, weiße, weibliche und männliche, wie bei Hercules&Love Affair. Dazu die Grandezza der transsexuellen Sängerin Nomi (ihr Künstlername ist eine Hommage an den deutschstämmigen New Yorker New Wave- Countertenor Klaus Nomi). Nicht nur alle schwulen Männer dürften sich bis über beide Ohren in dieses Warhol'sche Factory Girl verliebt haben. Bald schon wird Madonna an Hercules & Love Affair-Mastermind Andrew Butler herantreten! Bleibt zu hoffen, dass er weiß, was er dann tut.

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