Der Schauspieler Maxim Mehmet: "Ein gewisser Promikitzel reizt auch mich"

Er wird im deutschen Filmbusiness als Newcomer des Jahres gehandelt. In "Fleisch ist mein Gemüse" spielt Maxim Mehmet mit viel Feingefühl den Hamburger Komödianten Heinz Strunk.

Maxim Mehmet, vorne im Bild als schlafender Heinz Strunk, in "Fleisch ist mein Gemüse". Bild: universal

taz: Sie haben ja gar keine Furchen im Gesicht...

Maxim Mehmet: Ich finde auch, der Maskenbildner hat die Pickel echt gut hinbekommen - und sie gingen gut wieder ab. Als Jugendlicher hatte ich zwar Pubertätspickel, aber die haben auch keine Spuren hinterlassen.

1975 in Kassel geboren, wächst Maxim Mehmet in der nordhessischen Provinz auf. Seit zwölf Jahren lebt er in Berlin, erst in Friedrichshain und Schöneberg, heute ist er überzeugter Kreuzberger. Ihm gefällt der "krasse Wechsel": Hier das Kottbusser Tor, ein paar Meter weiter das "wunderschöne Ufer des Landwehrkanals", dann der "abgewrackte Hermannplatz".

Den türkisch klingenden Nachnamen hat Mehmet vom Großvater väterlicherseits, der Krimtartar war. Der Name ist aber nicht der Grund für seine Vorliebe für Kreuzberg gewesen, betont er. Von türkischen Taxifahrern wurde der Blondhaarige auch schon mal schräg angeguckt, als er auf den Namen Mehmet ein Taxi bestellte: "Hast du Taxi gerufen? Du bist doch nicht Mehmet?"

In dem Film "Fleisch ist mein Gemüse" unter der Regie von Christian Görlitz spielt Mehmet den jungen Heinz Strunk in den 80er-Jahren. Der Komödiant und Buchautor Heinz Strunk erlebt in Hamburg-Harburg die Höhen und Tiefen des Erwachsenwerdens, die er 2004 in dem autobiografisch gefärbten Buch "Fleisch ist mein Gemüse" verarbeitet. Strunk erzählt darin, wie er unter einer starken Akne leidet. Seine Mutter ist manisch-depressiv, und er schlägt sich als Saxofonist bei der Schlagerband Tiffanys durch die norddeutschen Provinzkäffer. Der wahre Strunk war von Mehmets schauspielerischer Leistung so angetan, dass er einmal bei den Dreharbeiten feststellte: Das bin ja ich.

In dem Film "Fleisch ist mein Gemüse" spielen Sie den Hamburger Komödianten Heinz Strunk in den 80er Jahren. Der junge Strunk litt damals unter einer schlimmen Form der Akne. Wie wurden Ihnen diese Pusteln angebracht?

Der Maskenbildner hatte Teile aus Silikon und Latex vorgefertigt. Es gab fünf verschiedene Pickel, einige waren mit Narben versetzt, andere mit eiternder Haut oder fetten Beulen. Sie saßen auch nicht immer an der gleichen Stelle, sondern sind im Filmverlauf gewandert. Der Maskenbildner hatte einen Pickelplan erstellt. Wenns mir im Film schlecht ging, bekam ich mehr Pickel. Wenn bessere Zeiten waren, wurden die Pickel weniger.

War es nicht unangenehm, ausgerechnet in Ihrer ersten prominenten Hauptrolle mit Pickeln bestückt zu werden?

Zu Beginn der Dreharbeiten gab es die Überlegung, die Pickel wegzulassen. Regisseur Christian Görlitz hatte Angst, dass die Zuschauer sich zu sehr ekeln. Ich bestand auf den Pickeln. Denn in dem Buch sind sie ein wesentlicher Bestandteil. Und ich bekam sie.

Sie fanden sie nicht lästig?

Das Anbringen hat jeden Morgen anderthalb Stunden gedauert. Mir hat diese Prozedur aber gutgetan.

Wie?

Es hilft immer, wenn die Figur eine gewisse Körperlichkeit hat. Ob ich mir bei Proben Wasser ins Gesicht spritze oder mir ein Bein abbinde - es hilft, sich in die Figur hineinzufinden.

Welche Veränderungen haben die Pickel bei Ihnen ausgelöst?

Um zu schauen, wie meine Umgebung sich verhält, bin ich mal mit den Pickeln von Hamburg nach Berlin gefahren. Natürlich war ich besonders sensibilisiert. Insgesamt hatte ich aber schon das Gefühl, dass ich angestarrt werde. Das verunsichert. Ich war froh, als ich das Zeug wieder abreißen konnte.

Akne dieses Ausmaßes hatten Sie zwar nicht. Aber fühlten Sie sich in der Rolle trotzdem auch an Ihre eigene Pubertät erinnert?

Was Heinz beschreibt, ist für mich auf jeden Fall nachvollziehbar. Ich war auch eher schüchtern, unsicher und bin nicht so ganz aus mir herausgekommen. Ich hatte natürlich keine verrückte Vogelmutter wie Heinz, sondern bin mit zwei Elternteilen wohlbehütet aufgewachsen. Aber dieses Gefühl, nicht gerade der Beliebteste bei den Frauen zu sein - was besonders in der Pubertät einen großen Teil des Lebens ausmacht -, das kenne ich.

Was aus den 80er-Jahren ist bei Ihnen in Erinnerung geblieben?

Wenn ich sage, dass ich diese Probleme nachvollziehen kann, heißt das nicht, dass alles nur schrecklich war. Ich habe auch sehr schöne Erinnerungen. Als ich vier Jahre alt war, sind meine Eltern mit mir von Kassel aufs Land gezogen. Meine Eltern waren Alt-68er. Raus aufs Land war die Devise. Wir hatten mit einer befreundeten Familie einen Bauernhof, hielten Tiere, haben selbst Brot gebacken und "Gras" angebaut. Irgendwer hatte das angepflanzt. Dann ist es gewachsen und die Bauern haben sich gewundert, was das für eine komische Bohne ist. Für uns Kinder war das alles super.

Von Puschelfrisuren im Neon-Look sind Sie aber verschont geblieben?

Ich habe mir neulich alte Fotos angeschaut. Es war schon sehr erschreckend, was ich damals so anhatte.

Gehörten auch Schützenfeste, wie sie im Film zu sehen sind, zu Ihrer Wochenendbeschäftigung?

Nein, weil ich und meine Eltern eine andere Gesinnung hatten als diese Schützenbrüder. Aber es gibt schon Parallelen. Meine Eltern haben damals einen deutsch-türkischen Kulturverein geleitet. Ich glaube, Feste auf dem Dorf sind sich irgendwie alle ähnlich.

Aber Schlagerfan waren Sie nicht.

Ich stand damals eher auf Kool & the Gang. Grover Washington Jr., der hat dieses "Just the two of us" gesungen. Das war meine erste Platte. Ich mag sie immer noch. Während der Dreharbeiten jetzt sind wir aufs Dorf gefahren und haben die Nachfolgeband der Schlagerband von Heinz angeschaut: "Fifty, Fifty" heißt sie heute. Es war verblüffend zu sehen, wie treffend Heinz diese spezielle Stimmung in seinem Buch beschrieben hat. Ganz fremd war mir die Situation, wie gesagt, nicht. 20 Jahre später wirkte eigentlich bis auf die Klamotten alles genauso.

Gruselig?

Keineswegs: Mir gefiel es, wie Jung und Alt durchtanzten und erst aufhörten, als die Band ausgezahlt wurde. Natürlich werden diese Bands auf solchen Festen nicht angemessen gewürdigt. Für die Leute sind sie wie eine Jukebox. Hauptsache, ihre Lieblingshits werden gespielt.

Ist das ein Provinzphänomen?

Überhaupt nicht. Neulich wurde ich auf einer Radio-Eins-Party gefragt, ob ich nicht auflegen möchte. "Celebration" von Kool & the Gang ging noch ganz gut. Aber als ich Lieder abspielte, die nicht so bekannt waren, kamen die Leute und sagten: "Hey, du merkst schon, dass das nicht ankommt." Der DJ sagte mir, wenn er nicht immer die Hits rauf und runter spielt, würde er gelyncht werden. Der Schritt vom Dorf- zum Stadtfest ist also oft nicht groß. Ich habe hohe Achtung vor Leuten, die jeden Samstagabend acht Stunden damit verbringen, das Publikum bei Laune zu halten.

Gab es bei Ihnen auch mal so eine Phase: Sie sind Künstler, müssen sich ganz schön abrackern und der Erfolg tritt trotzdem nicht ein?

Nicht wirklich. Ich habe ja erst relativ spät angefangen mit dem Schauspielen.

Warum eigentlich?

Es dauerte einfach eine Weile, bis ich wusste, was ich will. Vielleicht habe ich mich auch erst nicht getraut. Meine Mutter hatte zwar auf dem Bauernhof ein Puppentheater und ich habe so erste Erfahrungen sammeln können. Später habe ich beim Schultheater und bei einigen Off-Theatergruppen mitgespielt. Als ich vor zwölf Jahren nach Berlin kam, entschied ich mich aber erst für ein Studium der Theaterwissenschaften. Ich war dann eine Weile einer von diesen Langzeitstudenten, die den Steuerzahlern auf der Tasche liegen. Für mich war das eine oft schwierige, aber sehr wichtige Zeit, meinen Weg zu finden. Mit 25 beschloss ich, dass ich es mit der Schauspielschule versuchen sollte.

Und? War es die richtige Entscheidung?

Im Nachhinein war es meine härteste Zeit. Der Spieltrieb ist groß, die Verletzlichkeit auch. Und wenn uneinfühlsame Prüfer einem ständig eine reinwürgen, weil sie jährlich hunderte Bewerber sehen und entsprechend angepisst sind - das ist schon hart. Die Mühe war es aber wert. Ich wurde in Babelsberg auf der Hochschule für Film und Fernsehen angenommen.

Andere Schauspieler klagen schon, wie mühselig der Weg zum Erfolg ist.

Das ist er auch. Aber ich habe nie konkret an einem Karriereplan gebastelt. Ob es jetzt McDonalds-Werbespots waren oder irgendwelche kleinen Studentenfilme - all diese Jobs habe ich nicht gemacht, um irgendwann eine Hauptrolle spielen zu dürfen. Für mich waren diese Rollen immer eine neue Herausforderung. Aber eins muss ich zugeben: Ohne Glück geht es nicht.

Sie meinen das Glück zum Durchbruch.

Wenn es einen Durchbruch für mich gab, dann war das vor vier Jahren, als Regisseur Leander Hausmann mich in dem Film "NVA" besetzt hat. Er sagte zu uns, dass wir alle, die er ausgewählt hat, in ein paar Jahren richtig bekannt sein würden. In diesem Moment habe ich gedacht: Komm, wir machen hier auch nur einen Film. Aber irgendwie hatte er recht: Es gibt viele grandiose Schauspieler, die nie dazu kommen, ihr Talent unter Beweis zu stellen. Es muss schon jemand sagen: Hey, schaut euch diesen Typ an.

Etwa 100.000 Menschen haben Sie in den vergangenen zwei Wochen auf der Leinwand gesehen. Rechnen Sie nicht damit, dass von nun an Ihr gesamtes Leben umgekrempelt wird?

Ich glaube schon, dass der Film eine Riesenchance ist. Aber bis es dazu kommt, von allen auf der Straße angesprochen zu werden, dauert es eine Weile. Selbst dann gehen die Leute nicht gleich auf einen zu. Ich glaube, in Deutschland gibt es eine natürliche Scheu. Höchstens als Frauenschwarm wird man verfolgt. Das ist bei mir aber nicht der Fall. Glücklicherweise.

Aber in der Filmbranche könnten Sie demnächst schon als neuer Jungstar gefeiert werden?

Wer gilt in Deutschland schon als Star? Till Schweiger und Veronica Ferres vielleicht. Ich habe mich mal mit Kollegen über ihren Werdegang unterhalten. Armin Rohde zum Beispiel: Nachdem er in dem Film "Rossini" mitspielte, dachte er auch, jetzt gehts los. Doch drei, vier Monate meldete sich niemand. Viele haben wahrscheinlich gedacht: Der hat sowieso zu viel zu tun. Den fragen wir erst gar nicht. Natürlich werde ich mich freuen, wenn ich demnächst schöne Angebote bekomme, aber die wird es jetzt nicht wie Sand am Meer geben. Man muss da, denke ich, auf dem Boden bleiben.

Würden Sie denn als Star taugen?

Ich glaube schon, dass ein gewisser Promikitzel auch mich reizt. Wenn ich das leugnen würde, wäre ich nicht ehrlich. Es gab mal bei den Dreharbeiten von "NVA" einen Moment, wo ich mir plötzlich die Frage stellte: Willst du eigentlich prominent sein? Da war dieses Gefühl aber immer noch was ganz Diffuses. Das ist es eigentlich immer noch. Damals beantwortete ich die Frage mit Ja, aber nur, weil ich darin eine Chance sah, weiterzukommen. Wenn ich kategorisch Nein sagen würde, wäre es ein Rückschritt in meiner Arbeit. Ich müsste interessante Rollen ablehnen. Bekanntsein kann aber auch ganz schnell unerträglich werden. Wichtig ist, zwischen Privatleben und Beruf klar zu trennen.

Wird Ihnen das gelingen?

Ich habe mit meiner Frau vereinbart, dass wir nicht zusammen auf Premierenfeiern gehen. Damit entgehen wir der Gefahr, dass sie abgelichtet wird, und gleich die Frage gestellt wird: Wer ist das denn?

Ein ganz schön hartes Los. Immerhin will man die Liebste bei einem so wichtigen Ereignis schon gerne bei sich haben, oder?

Schon. Ich wollte sie anfangs auch dabei haben, aber sie wollte nicht. Bei meiner ersten Filmpremiere habe ich dann gemerkt, was für ein Medienrummel das ist, und konnte ihre Entscheidung schnell nachvollziehen. Ich hatte die Anstrengung unterschätzt. Ich habe gedacht: Na ja, schlimmer als eine Theaterpremiere kann es nicht werden. Da muss man ja noch richtig arbeiten, der Film dagegen ist doch schon fertig. Als ich an dem Abend Susanne Lothar, meine Filmmutter, sah, habe ich sie zur Begrüßung umarmt. Sofort waren fünf Fotografen da. Ich war überrumpelt: Hey, ich wollte doch nur Hallo sagen. Das war so ein Moment, wo ich dachte: Mensch, so eine Öffentlichkeit kann ganz schön heftig sein.

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