Jeanne-Claude gestorben: Die glänzende Gewebewoge

Die Verpackungskünstlerin Jeanne-Claude ist tot. "Bei unserer Arbeit geht es immer um die Freiheit", sagte sie einmal. Ihr Partner Christo wird das gemeinsame Werk fortführen.

Jeanne-Claude (rechts) mit ihrem Partner Christo bei der Eröffnung des Projekts "The Gates" im Central Park, New York im Jahr 2005. Bild: ap

WASHINGTON taz | In ihrer Verhüllungs-Kunst galten die beiden als unzertrennlich - nun hat das Schicksal das Künstlerehepaar Christo und Jeanne Claude jäh auseinander gerissen: Die Künstlerin Jeanne Claude ist tot. Die 74-Jährige starb am Mittwoch Abend überraschend in einem Krankenhaus an ihrem Wohnsitz New York. Wie am Donnerstag bekannt wurde, überlebte sie eine geplatzte Ader in ihrem Gehirn nicht.

"Wir möchten Kunstwerke der Freude und Schönheit schaffen, die wir deswegen machen, weil wir daran glauben, dass sie schön werden", sagte die Künstlerin vor Jahren in einem Interview. "Die einzige Möglichkeit zu sehen, ob etwas schön wird, ist es zu kreieren." Das tat Jeanne Claude unermüdlich. Zusammen mit Christo, dem Mann, der seit 51 Jahren an ihrer Seite ist.

Christo Javacheff hatte Jean Claude Denat de Guillebon 1958 in Paris kennengelernt. Der Emigrant aus Bulgarien sollte ihre Mutter porträtieren. Bei der lebte Jeanne Claude, die zunächst bei ihrem Vater aufgewachsen war, ein bequemes, privilegiertes Leben. Sie hatte zunächst eine Ausbildung zur Stewardess gemacht.

Christo hatte damals schon ein Faible für die Verhüllung kleinerer Objekte. Jeanne Claude, die sich zu dieser Zeit bereits für Kunst interessierte und am selben Tag wie ihr späterer Mann, nämlich am 13. Juni 1935, in Casablanca geboren war, soll erst gar nicht von seinen Arbeiten begeistert gewesen sein. Doch die beiden verliebten sich ineinander und als sie schwanger wurde, überwarfen sich ihre Eltern mit Jeanne Claude. Sie fanden, dass ihre Tochter, die Philosophie und Latein in Tunis studiert hatte, etwas Besseres verdient hätte.

Doch aus der Romanze entwickelte sich eine ernsthafte Liebesgeschichte. 1960 wurde ihr Sohn Cyril geboren. Das Paar wohnte und arbeitete da bereits zusammen. Ihre Objekte wurden größer. Im Kölner Hafen sorgten sie erstmals für Aufsehen, als sie 1961 einen Stapel Ölfässer verhüllten. Ein Jahr später heirateten Christo und Jeanne Claude. Auch ihre Eltern waren wieder versöhnt.

Als sich das Zentrum der modernen Kunst allmählich von Paris an den Big Apple verlagerte, zog die Künstlerfamilie in die USA um. Christo und Jeanne Claude arbeiteten fortan stets zusammen, doch um einen Markennamen zu kreieren, nur unter dem von Christo. Die Verhüllungswut des Duos wuchs und auch die Größe ihrer Objekte steigerte sich.

Für besondere Furore sorgte die Verhüllung des Berliner Reichstags 1995, die bis heute das bekannteste Meisterwerk der beiden ist. Mehr als 200 Helfer ließen das Gebäude Stück für Stück unter einem silbern glänzenden Stoff verschwinden. Für die Verwirklichung hatte das Paar fast ein Vierteljahrhundert gekämpft, der Bundestag genehmigte die Aktion im Februar 1994 nach langen und kontroversen Diskussionen. Erstmals standen beide Namen des Künstlerpaares für dieses Kunstwerk.

Fortan arbeiteten sie nur noch als Christo und Jeanne Claude. Sie verhüllten die Pariser Brücke Pont Neuf oder schufen mit riesigen, wehenden safrangelben Stoffbahnen "Tore" im New Yorker Central Park. Die künstlerisch arrangierten Stoffe von Christo und Jeanne Claude zogen Bahnen von Kalifornien bis nach Japan.

Niemals ließen sich die beiden für ihre Arbeiten finanziell unterstützen. "Bei unserer Arbeit geht es immer um die Freiheit", sagte Jeanne-Claude einmal. "Sie ist der Feind von Besitz und Dauerhaftigkeit." Geboren wurden die meisten Ideen in einer verlassenen Fabrikanlage in New York. Dort, in ihrem Atellier, hatten die Künstler noch weitere große Pläne: So soll am Arkansas River eine mehr als zehn Kilometer lange Wegstrecke verhüllt werden. Drei bis sieben Meter über dem Wasser soll eine glänzende Woge aus Gewebe entstehen.

Ihr zweites Zukunftsprojekt sind rund 400 000 aufgestapelte Ölfässer in den arabischen Emiraten. Christo wird diese Pläne nun alleine verwirklichen. Freunde des Paares in New York sagten, Christo fühle sich verpflichtet, das gemeinsame Lebenswerk der beiden auch am Leben zu halten.

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