Gealterter Playboy präsentiert Retrospektive: Die One-Man-Show des Gunter Sachs

Die Kunst der Königsberger Klopse: Gunter Sachs trifft mit seiner Retrospektive in Leipzig auf ein Museum unter Quotendruck und übt Kontrolle aus, wo er nur kann.

Der ästhetische Kosmos von Gunter Sachs ist ziemlich eng. In einem Labyrinth aus Holzwänden, schmalen Korridoren und kojengroßen Kabinetten drängt sich im Leipziger Museum der bildenden Künste im März eine Retrospektive des Playboys, Künstlers und Kunstsammlers. Gezeigt werden fünfzig Jahre Bildwerk von und mit Sachs in der größten Ausstellung, die dem weißhaarigen Industriellenerben je gewidmet wurde. Eine "Huldigung an die Schönheit" nennt dies Museumsdirektor Hans-Werner Schmidt.

Besonderheit: "Die Kunst ist weiblich…" mit ihren gut 240 Fotografien, den Filmen von Sachs, rund fünfzig Werken aus seiner Kunstsammlung, Motorrad, Bobschlitten, der rekonstruierten Pop-Wohnung aus St. Moritz und seinem Pariser Zimmer wurde von Sachs selbst kuratiert, unterstützt von seinen Münchner Mitarbeitern, die sich sonst um PR und Events kümmern.

Das gut ausgebildete wissenschaftliche Personal des Museum kam bei "koordinierenden Aufgaben", sprich als Handlanger, zum Einsatz. Die Begleitpublikationen zur Ausstellungen wurden in Sachs PR-Abteilung geschrieben. Ein großformatiges Magazin mit Andy Warhols Sachs-Porträt auf dem Titel beinhaltet neben Lobgesängen auf den 75-Jährigen von Mario Adorf bis Günter Netzer ein Kreuzworträtsel und ein Rezept für Königsberger Klopse.

Die Ausstellung selbst steht diesem Sammelsurium in nichts nach: T-Shirts von Sachs Modekette "micmac", Graffiti, Malerei, eine riesige Menge Fotos. Die Huldigung an die Schönheit erweist sich als Reverenz an das weibliche Gardemaß von Sachs Model-Musen. Viel Haut und SM-Accessoires reinszenieren den Surrealismus von de Chirico, Magritte oder Yves Tanguy, in deren Mitte Sachs seine Photoshop-Stillleben gehängt hat. Sachs taucht in endlosen Bildstrecken an der Seite all der Rubirosas, Agnellis, Bardots und Schiffers auf, die ihn sein Leben lang begleiteten und die der Leipziger Ausstellung Glanz verleihen sollen.

Die Stadtverwaltung gab einen Sonderwerbeetat von 100.000 Euro dazu. Das folgt einer Logik, die zwar nicht nur für Leipzig typisch ist, aber vor Ort eine spezielle Ausprägung hat. 2004 war das Museum nach einem sechs Jahrzehnte währenden Aufenthalt in Interimsquartieren in einen teuren Prestigebau gezogen. Im Jahr nach der Eröffnung sackten die Besucherzahlen ab, Oberbürgermeister Burkhard Jung verlangte "eine deutliche Steigerung".

Also stellt die Stadtspitze nun für Sachs Extrageld aus dem klammen Haushalt zur Verfügung, während eine umfangreiche Lovis-Corinth-Schau im Sommer ohne Unterstützung auskommen muss. Die Begründung: mit der Sachs-Ausstellung werde "der Ruf Leipzigs als Kulturstadt gefestigt". Außerdem wurde in mindestens einem Fall ein Kulturredakteur der Leipziger Volkszeitung angehalten, einen Text über die Ausstellung vor Abdruck dem PR-Büro von Sachs vorzulegen. Zuvor sah man Sachs und LVZ-Chefredakteur Bernd Hilder beim gemeinsam Essen.

Das freut Oberbürgermeister Jung, der von der "Riesenchance, national und international als Kunst- und Kulturstadt im Mittelpunkt zu stehen" schwärmt. Und auch Udo Reiter, Intendant des Mitteldeutschen Rundfunks mit Sitz in Leipzig, lobte: "Für die Stadt ist die Ausstellung ein Renner. Es ist wie beim MDR: Ein bisschen aufs Publikum zuzugehen, ist sehr wichtig."

Dabei ist das Haus keine Provinzklitsche, die man mit Bedeutung aufpumpen müsste. Das Museum beherbergt eine wichtige deutsche Gemäldesammlung, die Stadt kann sich mit Malersöhnen wie Klinger, Beckmann, Hartung oder Blinky Palermo schmücken. Ganz zu schweigen von den Erfolgen der gegenwärtigen Leipziger Malerei.

Dass Sachs ausgerechnet hier zu sehen ist, soll einer Anfrage Schmidts wie dem Umstand gedankt sein, dass beide Herren im Sternzeichen Skorpion sind, womit für den an Astrologie interessierten Sachs die Zusammenarbeit besiegelt war. Diese schöne Anekdote stört nur die Rechnung in Höhe von 23.800 Euro, ausgestellt von den Mannheimer Kunstvermittlern Peter Reichelt und Ina Brockmann, die Schmidt von gemeinsamen Ausstellungsprojekten während seiner Zeit als Direktor der Kunsthalle Kiel kennt. Das Museum wie Sachs bestreiten, dass es diese Anbahnung durch die Agenten gegeben habe. Doch dem widerspricht das Schreiben an Reichelt, in dem ihm Sachs Sekretariatsmitarbeiter Hendrik Stängle Ende 2007 mitteilte, dass er ihm nach Rechnungseingang "umgehend" 11.900 Euro, also die Hälfte der Forderung, als "Auslagenersatz im Rahmen der Ausstellungsvorbereitung ,Gunter Sachs im Museum der bildenden Künste Leipzig'" überweisen werde. Schmidt dagegen verriet zur finanziellen Zusammenarbeit bislang nur so viel: "In einer klassischen Ausstellung sorgt der Künstler für Kunstwerk und Rahmen, das Museum für Transport und Hängung. Hier ist die gesamte Ausstellung, die Biografie von Gunter Sachs, der Rahmen."

Die Eröffnungspressekonferenz störte dann der Hamburger Kunsthistoriker Wolfgang Strack, als er die in der Presse gerne wiederholte Behauptung von Sachs beanstandete, er habe 1972 in seiner Hamburger Galerie die erste europäische Andy-Warhol-Ausstellung gezeigt. Die hatte Ileana Sonnabend schon 1965 in Paris veranstaltet.

Im Quartalsheft des Museums fällt daher auch der sophistische Satz von der ersten "umfassenden Galerieausstellung von Andy Warhol in Europa" ins Auge. Dem Vernehmen nach wurde diese Formulierung gemeinsam errungen. Die aktenkundigen Tatsachen sind dem Museum also wohlbekannt.

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