Nachrichtensenderübernahme: Aust kauft N24

Ein Dreier-Konsortium übernimmt den Nachrichtensender N24. Der Aufbau eines Videojournalistennetzes ist geplant. Es soll in Zukunft vor allem Personal eingespart werden.

N24 soll den Angaben des Konzerns zufolge noch mindestens bis 2016 ProSieben & Co. mit News-Sendungen beliefern. Bild: dpa

Lässt sich mit Informationsfernsehen überhaupt Geld verdienen? Das Trio aus Ex-"Spiegel"-Chef Stefan Aust, N24-Chef Torsten Rossmann und TV-Produzent Thorsten Pollfuß müssen ziemlich davon überzeugt sein, das das geht – trotz Werbeausfällen und Sparbemühungen der Sender. Anders ist ihr mutiges Manöver nicht zu erklären: Die drei übernehmen den Newskanal N24, den die Sendergruppe ProSiebenSat.1 zehn Jahre lang erst aufgebaut, dann wieder kleingefahren hat – und ihn seit November zum Verkauf anbot. Das Geschäft mit der Nachricht sei nämlich bloß ein "Zuschussgeschäft".

Das Besondere an N24 ist: Der Sender, der am Potsdamer Platz in Berlin residiert, ist nicht bloß ein Nachrichtenkanal. Er ist zugleich eine Produktionseinheit für viele Teile des Informationsfernsehens, das auf ProSieben, Sat.1 und Kabel Eins zu sehen ist. Neben News, die auf den drei Hauptsendern der Gruppe ausgestrahlt werden, um dem Medienrecht zu folgen, gehört dazu etwa auch das "Frühstücksfernsehen" auf Sat.1 und das werktägliche "Sat.1 Magazin". Das wird auch so bleiben, denn die an N24 gekoppelte Produktionsfirma Maz & More geht ebenfalls an das Trio.

Zumindest für die nächsten Jahre haben Aust, Rossmann und Pollfuß so ihr Kerngeschäft gesichert: N24 soll den Angaben des Konzerns zufolge noch mindestens bis 2016 ProSieben & Co. mit News-Sendungen beliefern. Das "Sat.1 Frühstücksfernsehen" und das "Sat.1 Magazin" ist immerhin noch bis 2014 fest in der Hand der N24-Schwester Maz & More. ProSiebenSat.1 ist damit zu großen Teilen los, was dem Münchner Konzern zuletzt schlicht zu teuer und zu lästig war: Informationsfernsehen. Das wird sich die Gruppe nun einkaufen statt es selbst zu produzieren.

Die Woche lebt: Jedenfalls wenn, es nach Stefan Aust geht. Das Magazin, das Aust im Auftrag und mit dem Geld der WAZ-Gruppe entwickelt hat, soll nun im neuen Nachrichtenladen von N24 ein Plätzchen finden. Hier soll das Projekt "auf anderer Basis" weiter entwickelt werden, sagte Aust heute nachmittag.

Ursprünglich hatten sich die WAZ und Springer für den neuen Titel des ehemaligen Spiegel-Chefredakteurs Aust interessiert, dann aber Anfang Mai abgewunken. Aust sucht derzeit neue Partner für sein Prestige-Projekt, mit dem er es den etablierten Verlagen und vor allem dem Spiegel nochmal zeigen will. Er musste aber zugeben, dass "es sein kann, "dass wir's erstmal nur im Netz machen". SG

Der Konzern hat sich damit für die Option "Bequemlichkeit" entschieden – und übt seine publizistische Verantwortung nur noch mit Unterschriften unter Lieferverträge aus. Für die Konzernspitze ist das ein Befreiungsschlag: Ob sich News rechnen, kann ihm nun egal sein. Information gibt’s für den Sender jetzt zum Flatrate-Tarif. Kostenairbag inklusive. Auf die Mitarbeiter von N24 kommt mit dem Deal viel Neues zu.

Aust und Konsorten haben angekündigt, den Sender neu strukturieren zu wollen. Von dem Aufbau eines Videojournalisten-Netzes ist die Rede. Das aber heißt: Informationsfernsehen auf Sparflamme. "VJs" gehen zulasten der Qualität, denn wie soll sich ein Reporter noch auf den Inhalt konzentrieren, wenn er mit der Technik beschäftig ist, weil er als Journalist und Techniker in Personalunion unterwegs ist? Mit dem Verkauf werden aller Voraussicht nach auch etliche Arbeitsplätze flöten gehen.

Im September, so hieß es offiziell, sollen "nach heutigem Stand 218 Vollzeitstellen bei N24 besetzt sein" – 72 weniger als bisher. Auf der Straße stehen werden danach aber nicht alle: ProSieben, Sat.1 und Kabel Eins wollen ihre Moderatoren künftig direkt unter Vertrag nehmen - und sich so auch ihre Sendergesichter sichern. Der Verkauf von N24 an das Trio per "Management-Buy-Out" scheint für die Zukunft von N24 und die Mitarbeiter der TV-Firma nicht die schlechteste Lösung zu sein. Vielleicht ist sie sogar die beste aller Möglichkeiten.

ProSiebenSat.1-Chef Ebeling hatte immerhin auch darüber nachgedacht, den Sender zu halten – dann aber massiv zu sparen. Der Umbau zu einem reinen Doku-Kanal war im Gespräch. Dazu soll es jetzt nicht kommen. Rossmann versprach gestern: "Wir wollen N24 als Nachrichtensender ausbauen." Vor allem die Politikberichterstattung werde geschärft. Mit Austs Kontakten ist auch exklusives Material gut vorstellbar. Rossmann stellte ein "Leistungsportfolio, das vom Boulevard zu den Hard-News reicht" in Aussicht. N24 wolle dabei "Auftragnehmer von vielerlei Seiten werden". Jetzt, wo das Unternehmen nicht mehr nur einem Konzern verpflichtet ist, geht das.

Aust kündigte schon mal an, sich persönlich "ganz wesentlich ums Neugeschäft" kümmern zu wollen. Wie das geht, weiß er: Seit Jahren produziert er fröhlich für das ZDF aufwändige Dokus wie einen Dreiteiler zu den Folgen der Globalisierung. Aust frohlockte gestern: "Dass die ARD mit Stefan Raab zusammenarbeitet zeigt, wie sehr die Grenzen zwischen Privaten und Öffentlich-Rechtlichen inzwischen offenstehen." Dass ausgerechnet N24, mit dem ProSiebenSat.1 einst gegen die gebührenfinanzierte Konkurrenz von ARD und ZDF antreten wollte, nun die öffentlich-rechtlichen Kanäle infiltrieren will, ist schon komisch.

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