Rüttgers-Skandälchen in der Presse: Der freundliche Rheinländer

Jürgen Rüttgers lästert über rumänische Arbeiter - und niemand merkt`s: Kalkulierten Rassismus beherrscht er so gut wie das nachträgliche Einwickeln der Presse.

War doch alles nicht so gemeint, gell, Herr Rüttgers? Bild: ap

Jürgen Rüttgers hat mal wieder Glück gehabt. Nordrhein-Westfalens CDU-Ministerpräsident bedient dumpfe, nationalistische Ressentiments - und niemand bemerkt es. Mitten im NRW-Kommunalwahlkampf hatte Rüttgers am 26. August in Duisburg und am 28. August in Münster über rumänische Arbeitnehmer gelästert: "Sie kommen und gehen, wann sie wollen, und sie wissen nicht, was sie tun." Zum Skandälchen wurden die Verbalausfälle erst eine Woche später - am vergangenen Freitag berichteten Süddeutsche und WDR.

Merkwürdig mild blieb die Wertung der Fremdenfeindlichkeit des Regierungschefs gerade in der nordrhein-westfälischen Landespresse auch danach. "Rüttgers-Rede sorgt für Unmut", titelte die Neue Rhein/Neue Ruhr Zeitung, "Rüttgers Fehlleistung" der Kölner Stadt-Anzeiger. Vom "Fettnäpfchen" schrieb der Westfälische Anzeiger, und auch der Express hielt sich mit "Wirbel um Rüttgers" für Boulevard-Verhältnisse stark zurück - schließlich waren die Berichte über Rüttgers Peinlichkeiten ein Skandal mit Ansage: Die Pressestelle der NRW-SPD ging da schon seit einer Woche mit kurzen, verwackelten Mitschnitten der Rüttgers-Reden hausieren, angeblich von Jusos vor Ort per Handy aufgenommen.

"Verspätet" sei die "Empörung" über Rüttgers, kommentierte die Westfalenpost deshalb am Montag. Immerhin habe Rüttgers bei einem Bonner Wahlkampfauftritt auch vor Kanzlerin Angela Merkel - und vor "40 mit ihr angereisten Journalisten aus Berlin" - abermals über die mangelnde Arbeitsmoral in Rumänien gelästert. Bemerkenswert habe das aber niemand gefunden, so die Westfalenpost: "Ein Glanzlicht kritischer Beobachtung ist dies sicher nicht."

Grund dafür mag die gute Arbeit der CDU-Pressestelle gewesen sein: "Völlig aus dem Zusammenhang gerissen" seien Rüttgers Ausfälle auf den SPD-Videos, versicherten seine Spindoctors schnell. Urheber der Videos seien "ganz bestimmt keine zufällig anwesenden Jusos" gewesen, sondern Mitarbeiter des SPD-Landesvorstands, die "den Ministerpräsidenten bei jedem seiner Auftritte beschatten".

Einen Grund liefert aber auch Rüttgers selbst: Besonders seine Duisburger Sprüche über investitionsunwillige Chinesen wirkten unfreiwillig komisch: "… dann werden die auch noch gewürgt, so lange, bis sie Duisburg schön finden" - ist das noch Wahlkampf oder völlig sinnfreier Klamauk, mag sich mancher Beobachter gefragt haben.

Denn Rüttgers ist eben kein dumpfer Rassist. Viel schlimmer: Wie schon bei seiner "Kinder statt Inder"-Kampagne im Wahlkampf 2000 setzt der Katholik, der auch seine Religion schon anderen überlegen sah, Ressentiments immer dann gezielt ein, wenns eng wird. "Wer mich kennt, der weiß, dass ich meine eigenen Sprüche nicht ernst nehmen kann" - das ist die Botschaft, mit der der nette, verbindliche Rheinländer derzeit Journalisten augenzwinkernd einwickelt.

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