Hanns Zischler über seine Kommissar-Rolle: "In unserem Film ist nichts okay"

Schauspieler Hanns Zischler ermittelt als Polonius Fischer in einem Anti-"Derrick"-MÜnchen: "Hinter blinden Fenstern", 20.15 Uhr, ZDF

Polonius Fischer (Hanns Zischler) verhört Bordellbesitzerin Clarissa Weberknecht (Maja Maranow). Bild: zdf

taz: Herr Zischler, "Hinter blinden Fenstern" ist der zweite Film um Kriminalhauptkommissar Polonius Fischer, einen früheren Mönch - ist das der Auftakt einer neuen Reihe?

Hanns Zischler: Nein, das sind bislang nur zwei Filme im Abstand von mehr als einem Jahr. Friedrich Ani hat kürzlich den dritten Polonius-Fischer-Roman veröffentlicht. Ein dritter Film böte sich also an.

Es handelt sich demnach in beiden Fällen um Romanverfilmungen …

Ja, natürlich mit der entsprechenden filmgerechten Weiterschreibung. Das Münchner Stadtviertel zum Beispiel, in dem wir gedreht haben, ist nicht das aus Anis Buch. Seins ist noch ärmlicher, Milbertshofen.

Ein Anti-"Derrick"-München, wie übrigens auch bei Kommissar Süden, einem anderen Ani-Ermittler, dem das ZDF leider nur zwei Filme gegönnt hat.

Ich finde es geradezu geboten, dieses Grünwald-München zu konterkarieren, diese schematisch heile Welt, in die dann die Katastrophe einbricht, am Ende aber wieder alles okay ist. In dem Milieu unseres Films ist nichts okay. Mit heimlicher Hauptstadt hat das überhaupt nichts zu tun. Dass die Trost- und Ausweglosigkeit so herausgearbeitet ist, hat vielleicht auch was damit zu tun, dass Regisseur Matti Geschonneck aus dem Osten stammt.

Was ist für Sie der Reiz der Figur Polonius Fischer?

Dass sie fast schon meditativ arbeitet, in einer Art kontrolliertem Slowmotion. Polonius Fischer ist ein Betrachter, jemand, der lieber zweimal hinschaut, bevor er aktiv wird. Auch seine Melancholie, diese ausgestellte Vergeblichkeit seines Tuns als Polizist mag ich sehr.

Eine rätselhafte Figur: Im ersten Film küsst er seine Assistentin unvermittelt auf den Mund.

Wenn sich jemand so enthalten hat wie er, neun Jahre vergeblich versucht hat, den eigenen mönchischen Weg zu finden, dann erscheinen erotische Zustände, aus denen solche Übergriffe stattfinden, doch nachvollziehbar.

Im ersten Film spricht Fischer Psalme für Opfer und Hinterbliebene, in "Hinter blinden Fenstern" ist das religiöse Moment stark reduziert. Warum?

Aus dramaturgischen Erwägungen. Etwas überhöht könnte man aber in Clarissa Weberknecht …

einer Bordellchefin, deren Teilhaberin ermordet wird …

… eine Maria-Magdalena-Figur sehen - und so gesehen ist Polonius Fischers Hinwendung zur Gefallenen und deren Erotik ein religiöses Moment, wenn auch ein ziemlich verstecktes.

Will man dem säkularisierten Publikum nicht mehr Religion zumuten?

Ich wäre da vorsichtig: Einerseits kann man in unserer Gesellschaft eine ganz massive Säkularisierung beobachten, andererseits gibt es aber auch eine verstärkte Hinwendung zum Religiösen. Und was die Frage der Zumutbarkeit betrifft: Heute gibt es nichts mehr, was nicht zugemutet werden kann.

Was ist für Sie die schlimmste Zumutung im Fernsehen?

Bohlen, eindeutig, nach wie vor.

Warum?

Dieser unverhohlene Zynismus gegenüber Schwächeren - das ist das Allerletzte. Das möchte ich auch nicht mehr relativieren.

Polonius Fischer ist eine Ihrer seltenen Hauptrollen, Herr Zischler. Warum?

Die Besetzungskriterien der Sender kann ich nur im Ergebnis zur Kenntnis nehmen, nicht aber in ihrer Ursächlichkeit erfassen. Ich weiß nicht, warum mir nicht häufiger gehaltvolle, große Rollen wie zum Beispiel als Klaus Barbie im Arte-Film "Die Hetzjagd" angeboten werden.

Könnte es daran liegen, dass Sie nicht nur Schauspieler sind, sondern auch Dramaturg, Autor, Regisseur, Übersetzer, Fotograf, Verleger, Forscher etc. und Ihnen deswegen die Ernsthaftigkeit abgesprochen wird?

Die Schauspielerei ist mein Beruf. Deswegen nehme ich natürlich jede Rolle ernst. Aber es kann schon sein, dass solche Vorbehalte eine Rolle spielen. Ich weiß gar nicht, ob es bei den zuständiger Entscheidern überhaupt registriert wird, dass ich auch andere Sachen mache.

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