Druck aus Politik auf ORF: Noch doller als beim ZDF

Die österreichischen Regierungsparteien in Wien wollen sich mal wieder den ORF unter den Nagel reißen - weil der zu unabhängig wird.

Glückloser ORF-Generaldirektor: Alexander Wrabetz. Bild: rtr

Dem ORF geht es schlecht. Der öffentlich-rechtliche Österreichische Rundfunk leidet an schwindender Einschaltquote und sinkenden Werbeeinnahmen. So weit der objektive Befund.

Für die große Koalition aus SPÖ und ÖVP in Wien ist dies aber auch willkommener Anlass, die formal als GmbH organisierte Rundfunkanstalt an die Kandare zu nehmen und den glücklosen ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz abzulösen - zweieinhalb Jahre bevor sein Vertag ausläuft.

Ein erster Entwurf eines neuen ORF-Gesetzes, den das Bundeskanzleramt vor zwei Wochen vorlegte, löste unter den Redakteurinnen und Redakteuren Empörung aus. Bisher verbotene Unterbrecherwerbung soll zugelassen und damit die Unterscheidbarkeit vom Privat-TV weiter verwischt werden. Der 35-köpfige Stiftungsrat, der als Aufsichtsgremium fungiert, soll mit dem ebenso großen Publikumsrat zusammengelegt werden. Der ist wie die Gremien von ARD und ZDF nach "Freundeskreisen" der Parteien organisiert, doch anders als in Deutschland sind Delegierte der Opposition in Zukunft nicht mehr vorgesehen. Ein neu zu schaffender Aufsichtsrat soll vom erweiterten Stiftungsrat - also de facto von den Regierungsparteien - bestimmt werden und dann den neuen Generaldirektor wählen.

Für 60 ORF-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die letzte Woche ein Manifest "SOS ORF" unterzeichneten, ist klar: "Der ORF steht wieder unter starkem politischem Druck. Ein neuer Gesetzesvorschlag soll den Zugriff der Regierung ausweiten und dadurch Unabhängigkeit und Vielfalt der Information einschränken." Generaldirektor Wrabetz, darüber ist man sich in allen Redaktionen einig, habe zwar bei der finanziellen Sanierung des Medienkolosses versagt, doch nie zuvor habe so viel redaktionelle Freiheit geherrscht. - Das ist für viele auch der wirkliche Grund, warum die Regierungsparteien am Stuhl des ORF-Chefs sägen. Unter Wrabetz Vorgängerin, der von der ÖVP installierten Monika Lindner und ihrem Chefredakteur Werner Mück, hatte vorher ein strenges Regiment geherrscht. Mück, so erzählen Redakteure, habe in morgendlichen Sitzungen gern klargemacht, welche Nachrichten zu ignorieren und welche prominent aufzumachen seien.

Die neue Freiheit, bei der Interventionen aus den Parteizentralen nicht mehr sofort weitergereicht werden, geht offenbar ÖVP wie SPÖ viel zu weit. Das erinnert fatal an die Zustände beim ZDF, wo die Unionsparteien gegen Chefredakteur Nikolaus Brender und indirekt auch gegen den von seiner eigenen Partei offenbar zu unabhängig gewordenen Intendanten Markus Schächter Front machen.

2008 machte der ORF 100 Millionen Euro Miese. Den Wunsch der Geschäftsführung, dem ORF mögen die durch Gebührenbefreiungen entgehenden Einnahmen ersetzt werden, will die Regierung nicht entsprechen. Mindestrentner, Zivildiener und andere finanzschwache Gruppen sind per Gesetz von den Rundfunkgebühren befreit.

Star-Anchorman Armin Wolf sprach im Nachrichtenmagazin profil deutliche Worte: "In Wahrheit" gehe es um vorzeitige Ablöse der ORF-Führung. Dafür ein neues Gesetz zu beschließen sei "Missbrauch des politischen Einflusses auf den ORF - grober Missbrauch".

Wolf, ein wegen seiner beharrlichen Nachfragen gefürchteter Interviewer, hat sich an die Spitze der Initiative "SOS ORF" gestellt, die die politische Unabhängigkeit der Anstalt erhalten, die wirtschaftliche Unabhängigkeit abgesichert und die Programmqualität verbessert sehen will. Vor drei Jahren war es übrigens eine kritische Ansprache von Armin Wolf, die die Abwahl der ÖVP-hörigen Führung eingeleitet hatte.

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