Schauspieler Bjarne Ingmar Mädel: Rock 'n' Roll mit Kettensäge

Ob Bjarne Ingmar Mädel einen Sachbearbeiter in der Sitcom "Stromberg" spielt oder den Waldarbeiter-Hallodri in "Könige der Nutzholzgewinnung" - er nimmt seine Figuren stets ernst.

Lustig macht sich Mädel über seinen "Stromberg"-Charakter Ernie nicht. Bild: prosieben/kai schulz

Als König der Nutzholzgewinnung wird der Freund von Bjarne Ingmar Mädel wahrlich nicht in die Forstgeschichte eingehen. Als Mädel ihm in dessen Laube beim Zuschneiden von Brettern geholfen hat, ist der Freund mit der Kettensäge abgerutscht, mitten hinein in Mädels rechte Hand. "Es ist schon ein komisches Gefühl, seine Sehnen und Knochen zu sehen", sagt Mädel lakonisch und blickt auf seine bandagierte Hand.

Unmittelbar nach dem Unfall seien ihm aber noch ganz andere Gedanken durch den Kopf geschossen, Schauspielergedanken. "Was echt absurd ist, ist, dass du in dem Moment denkst, ich muss im August drehen, wie sieht denn das aus?", sagt er. "Du denkst überhaupt nicht daran, dass du bleibende Schäden davontragen könntest und dir die Schuhbänder vielleicht nie wieder zumachen kannst." Es ist alles gut gegangen, keine wichtige Sehne wurde durchtrennt, die Wunde wird verheilen, die Narbe sich überschminken lassen: "Ich will ja nicht in jeder Rolle der Mann mit der Narbe sein."

Vielleicht hätte der Freund besser Mädel die Kettensäge überlassen, der hat Erfahrung mit den Dingern. Für seine Rolle als Waldarbeiter Krischan in dem Kinofilm "Die Könige der Nutzholzgewinnung" hat er zusammen mit den Kollegen Frank Auerbach und Steven Merting sogar einen Kettensägenführerschein gemacht - auch wenn sie die Theorie schnell übersprungen haben, um sich auf die möglichst effektvolle Handhabung zu konzentrieren. "Wir wollten kernige Waldarbeiter sein und haben deswegen die Sägen nicht auf dem Boden stehend angeschmissen wie vorgeschrieben, sondern aus der Hand. Das war schon Rock n Roll", sagt Mädel. Um nicht leichtsinnig zu wirken, schiebt er nach: "Wir hatten aber immer Respekt vor den Sägen."

Dieser Krischan, den der 40-Jährige in Matthias Keilichs Film spielt, ist ein ziemlicher Hallodri. "Ich wusste, dass ich die Figur wahnsinnig lieben muss, wenn ich sie spiele, mehr noch als andere", sagt Mädel und klingt dabei sanft, aber überhaupt nicht esoterisch - "damit Krischan ein Sympathieträger ist, obwohl er eigentlich ein Arschloch ist."

Das kann man wohl sagen. Kurz nach der Wende ist er aus seinem Ostharzer Heimatdorf Tanne in den Westen gegangen, über Nacht und ohne sich von seiner Freundin Ellen (Christina Große) oder den Kumpels Ronnie (Frank Auerbach) und Berti (Steven Merting) zu verabschieden. Weg war er, nur seine Schulden blieben.

Dementsprechend kühl ist der Empfang, als Krischan zwölf Jahre später genauso plötzlich wieder in Tanne auftaucht. Er ist immer noch das alte Großmaul mit immer neuen Schnapsideen, aus denen noch nie mehr geworden ist als Schulden. Seine neueste: Ein Holzfällerwettbewerb soll das von den Freunden geforderte Geld einbringen und das ganze Dorf aus seiner Har(t)z-IV-Lethargie reißen. Doch anstatt ihn nach all den miesen Erfahrungen auflaufen zu lassen, passiert Unglaubliches: Tanne zieht mit. Mädel, der den Krischan gibt, wundert das nicht: "Es gibt ja so Leute, denen hilfst du zehnmal beim Umzug und denkst dir: nie wieder! Und dann stehst du beim elften Mal wieder vor der Tür."

Ernie Heisterkamp müsste in dieser Situation wohl eine Spedition beauftragen. Der Versicherungssachbearbeiter, den Mädel in der ProSieben-Sitcom "Stromberg" spielt, ist ein armes Würstchen, auf dessen Kosten sich die gesamte Abteilung amüsiert. Für Mädel kommt das nicht in Frage. Er macht sich nicht über Ernie lustig. Das liegt wohl auch daran, dass er dieser Rolle so viel zu verdanken hat, sie hat ihn ziemlich schnell berühmt gemacht, als er 2004 vom Hamburger Schauspielhaus zum Fernsehen gewechselt ist, "vom einen Stromberg zum anderen", wie er sagt. (Stromberg heißt der damalige Intendant des Theaters, und so heißt Christoph Maria Herbsts Paraderolle).

Vor allem aber denunziert Mädel diesen Ernie nicht, weil das seiner Berufsauffassung widerstrebt. "Ich versuche immer, das Wesen einer Figur zu begreifen", sagt Mädel, und wenn man Krischan sieht oder den so ganz anderen Dietmar, den behäbigen Dorfpolizisten aus der ARD-Serie "Mord mit Aussicht", weiß man, dass solche Aussagen kein eitles Schauspielergerede sind. Dafür ist Mädel viel zu reflektiert und selbstironisch. "Blabla. Du musst zwischendurch auch mal vorspulen", rät er seinem Gesprächspartner immer wieder, und das wirkt weniger kokett als tatsächlich bescheiden.

Demut, dieses altmodische Wort, fällt einem unweigerlich ein, wenn Mädel über seinen Beruf spricht. "Wenn du rausgefunden hast, warum jemand so ist, wie er ist, passieren dir ganz viele Dinge beim Drehen einfach. Ich könnte mir nie zu Hause am Schreibtisch überlegen, was ich wie spiele."

Mädels unverkrampfte Ernsthaftigkeit bei der Arbeit hat "Stromberg"-Autor Ralf Husmann mit einer eigenen Serie für Mädel belohnt - Arbeitstitel "Berühmt". In der Brainpool-Produktion für ProSieben spielt Mädel den Elektrofachverkäufer Rüdiger Bunz, der durch eine Schnapswerbung schlagartig in der Öffentlichkeit steht. "Alle wollen heute berühmt sein - Rüdiger auch", sagt Mädel, "aber nur, wenn alles so bleibt, wie es vorher war." Der Schlamassel ist also programmiert.

Mädel selbst scheint mit seiner Prominenz ganz gut klarzukommen. Zusammen mit seiner Freundin lebt er auf 90 Quadratmetern und hat kein Auto, weil er keines braucht. Abgehoben ist anders. Nur diesen Flachbildfernseher, den wollte er unbedingt haben. Ein paar Tage nach dem Interview sagt Mädel am Telefon: "Ich glaube, dass ich mir tatsächlich noch nie etwas Teureres gekauft habe." Er klingt selbst ein bisschen überrascht.

MONTAG, 20.15 UHR, ZDF

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