Sparkurs von ProSiebenSat.1: Trudelnd wie Apollo 13

ProSiebenSat.1 erwirtschaftet 144,5 Millionen Euro Überschuss, muss aber weiter sparen und sucht Geldquellen im Internet und bei N24 - auch auf Kosten des Personals.

Jeder Cent zählt: ProSiebenSat.1. Bild: dpa

Vor einer grauen Wand, hinter einem grauen Pult, neben einem Diagramm mit grauen Balken präsentiert der Free-TV-Chef von ProSiebenSat.1, Andreas Bartl, die Höhepunkte des laufenden Jahres und verströmt dabei so viel Begeisterung, es klänge wohl kaum anders, müsste er gerade die Einstellung des Sendebetriebs verkünden.

Mit gedämpfter Stimme sagt Bartl: "Wir wollen ein neues Fernsehen für eine neue Dekade schaffen." Er sagt: "Wir fühlen uns den Nachrichten und unserer sozialen Verantwortung voll verpflichtet." Er verkündet, im Mai werde der Frauensender "Sixx" starten und in Erstausstrahlung die "Oprah Winfrey Show" zeigen. Und es werde auf Sat.1 2010 drei neue Formate geben. Eine Show mit Annette Frier. Eine Serie namens "Der letzte Bulle" und die aus Skandinavien importierte Game-Show "Perfect 10". Das ist alles an Kreativität, was der Münchner Privatsender-Gigant noch hergibt.

Seit der frühere Pharma-Manager Thomas Ebeling vor einem Jahr den obersten Chefposten bei der ProSiebenSat.1 Media AG übernommen hat, wird in Unterföhring gespart bis über die Schmerzgrenze. Im vergangenen Jahr kürzte das Unternehmen über 221 Millionen Euro an Kosten und strich 484 Stellen, fast neun Prozent der Mitarbeiter. So erwirtschaftete der Medienriese trotz 5,5 Prozent Umsatzrückgang einen Überschuss von 144,5 Millionen Euro, verkündete Ebeling stolz bei der Bilanzpressekonferenz am Donnerstag. Noch immer lasten 3,2 Milliarden Euro Schulden auf ProSiebenSat.1, abgeladen von den Finanzinvestoren KKR und Permira, denen die Mehrheit am Unternehmen gehört. In diesem Jahr beziffert der Vorstand das Einsparpotenzial auf 20 bis 50 Millionen Euro.

Am meisten ließe sich beim Nachrichtensender N24 herausholen. Derzeit überlegt Ebeling, die defizitäre Trash-Doku und Nachrichtenstation zu verkaufen. Denkbar sei auch eine Umstrukturierung. Egal, wie die Entscheidung aussieht: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass das komplett ohne Personalabbau passieren kann", erklärt Ebeling.

In Sachen Nachrichten geben sich die Vorstände diesmal bewusst defensiv. "Nachrichten sind bei ProSieben und Sat.1 nicht wegzudenken", beteuert Bartl. Man nehme den Informationsauftrag sehr ernst und stehe sogar zu der Verpflichtung, regionale Fernsterprogramme von Drittanbietern auszustrahlen. Bislang hatte Sat.1 bis zur Klage vor Gericht alles versucht, um die Fremdprogramme im eigenen Sendeschema loszuwerden.

In Zukunft soll sich der ehemalige British-Telecom-Manager Dan Marks als Vorstand in München um neue Einnahmequellen im Internet kümmern. Als sich sein Vorgänger Marcus Englert von der Presse verabschiedet, zitiert er den Kommandanten der US-Raumkapsel Apollo 13, Jim Lovell: "Thank you for travelling." Apollo 13 war auch mit großen Ambitionen in den Himmel gestartet und schaffte es schwer beschädigt trudelnd und mit viel Dusel zurück auf den sicheren Erdboden. Davon ist Sat.1 noch weit entfernt.

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