Weil die Agentur zu Springer zieht: Tagesspiegel kündigt der dpa

Weil die Deutsche Presseagentur in die Springer-Passagen in Berlin einziehen will, droht ihr der Tagesspiegel mit dem Ende der Zusammenarbeit. Sie sei nicht mehr unabhängig.

Chefredakteure Stephan-Andreas Casdorff (l) und Lorenz Maroldt im neuen Tagesspiegel-Verlagsgebäude in Berlin-Kreuzberg. Bild: dpa

Die Meldung mit der Kennung "bdt0369" der Deutsche Presse-Agentur vom 3. November kam zwar mit dem Titel "dpa-Zentrale in Berlins historischem Zeitungsviertel" zunächst recht unscheinbar daher. Am neuen Verlagssitz des Berliner Tagesspiegels am Potsdamer Platz schlug sie dennoch ein wie eine Bombe.

Jedenfalls berichten Teilnehmer der Redaktionskonferenz, der Bericht habe für einen "Sturm der Entrüstung" gesorgt. Die "bdt0369" war eine Meldung in eigener Sache, Verfasser dpa-Sprecher Justus Demmer. Der teilte den Kunden mit, die für den Sommer geplante Zentralredaktion werde in die Axel-Springer-Passage ziehen.

Am Samstag schlug der Tagesspiegel im eigenen Blatt mit einer Meldung in eigener Sache zurück. Unter dem Titel "Mit der Unabhängigkeit völlig unvereinbar" heißt es in knappen Zeilen an die Leser, mit dem Umzug sei "eine vertrauensvolle Zusammenarbeit (...) nicht mehr möglich".

Schon Mitte der Woche hatte der Verlag der dpa schriftlich mitgeteilt, den Bezug ihrer Dienste "aus wichtigem Grund" zum Juli 2010 zu kündigen. Zu diesem Datum plant die dpa die Zusammenlegung der bisher auf Hamburg, Frankfurt am Main und Berlin verteilten etwa 300 Mitarbeiter. Die dpa erhofft sich so und mit einem neuen Redaktionskonzept, ihre Dienste künftig besser aufeinander abzustimmen und schneller, da vernetzter und konzentrierter, arbeiten zu können.

Chefredaktion und Geschäftsführer des Tagesspiegel ließen ihre Leser indes über ihr Motiv weitgehend im Unklaren. Sie sprachen nur von "diesen Umständen", also dem Einzug der dpa in eine Springer-Immobile. Nicht notiert, aber intern diskutiert, wurde der Ärger darüber, dass die dpa mit ihren Mietzahlungen künftig einen Konkurrenten des Tagesspiegels finanziert. Springer gibt nämlich in Berlin neben den Regionalausgaben von Welt und Bild auch die B.Z., vor allem aber die direkt gegen den Tagesspiegel gerichtete Berliner Morgenpost heraus. Vielleicht verschweigt das der Tagesspiegel, weil er wiederum selbst mit Springer arbeitet: Er lässt sein eigenes Blatt von dem Großverlag drucken.

Stephan-Andreas Casdorff, einer von zwei Tagesspiegel-Chefredakteuren, erklärt: "Es ist für die Unabhängigkeit der Agentur nicht gut, wenn sie zu irgendeinem Medium ein engeres Geschäftsverhältnis pflegt als zu deren Konkurrenten." Die dpa wird - anders als alle anderen Agenturen in Deutschland - von den Verlagen selbst getragen. Sein Kollege Lorenz Maroldt betont, dpa den Laufpass zu geben, habe "absolut keine finanziellen Gründe". Die Kündigung sei keine Etat-Entscheidung und zudem von der Redaktion und nicht von der Geschäftsführung ausgegangen.

Der Springer-Verlag spricht von einem "absurden Vorgang", den er nicht kommentieren wolle. Die dpa gab sich wiederum "überrascht". PR-Mann Demmer sprach von einem "Missverständnis" und sagte, er könne "diesen Schritt überhaupt nicht nachvollziehen". Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit seien für die dpa "keine Frage des Standortes oder des Mietvertrages". Überdies ziehe die Agentur nicht in das Springer-Hochhaus, sondern in einen getrennten Gebäudetrakt der Passage.

Am Dienstag, als die dpa ob des neuen Redaktionssitzes jubilierte, betonte Chefredakteur Wilm Herlyn unter anderem, nur die Springer-Passage biete bei den besichtigten Objekten die Möglichkeit, die neue Zentralredaktion in einem einzigen riesigen Newsroom anzusiedeln statt auf mehrere Stockwerke zu verteilen. So hat das übrigens auch der Burda-Verlag mit seiner Ostille Super Illu gemacht. Die sind nämlich auch Untermieter des Mächtigen Springer-Konzerns.

Und der Tagesspiegel? Sollte er seine Kündigung wirklich durchziehen und juristisch auch durchdrücken können, dürfte er den Wegfall der dpa-Meldungen zumindest einigermaßen kompensieren können. Er teilte seinen Lesern nämlich auch gleich mit, derzeit neben dpa noch AP, AFP, ddp, Reuters und zudem die konfessionellen Dienste KNA und epd zu beziehen.

Ein Problem könnte die Bestückung von Tagesspiegel.de werden. Im Online-Geschäft ist die dpa ihren Agentur-Konkurrenten noch immer weit voraus, vor allem wenn es darum geht, Rubriken und Bilderstrecken völlig automatisiert auf den Portalen der Kunden zu platzieren. Auch deshalb versuchte Anfang dieses Jahres die Essener WAZ-Gruppe für ihr Portal DerWesten.de die dpa weiter zu beziehen, während sie für ihre vier nordrhein-westfälischen Tageszeitungen um die Westdeutsche Allgemeine und drei WAZ-Titel in Thüringen der dpa kündigte, um Geld zu sparen – knapp drei Millionen Euro pro Jahr. Die dpa weigerte sich jedoch, allein der WAZ-Onlineredaktion ihren Dienst zu verkaufen. Ihr Argument: Dann könnten auch die Print-Redakteure den Ticker mitlesen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.