Freie beim Fernsehen: Zweierlei Hundeleben

Wer ist ärmer dran? Der unterbezahlte Fernsehautor oder der überarbeitete Fernsehredakteur? Eine Tagung in Stuttgart widmete sich dieser "schwierigen Liebe".

Von den Hierarchien hinter den Kulissen bekommt der Zuschauer nichts mit. Bild: ap

STUTTGART taz "Manche Fernsehredaktionen kommen einem vor wie eine verrammelte Burg, deren einziger Zugang von einer energischen Sekretärin bewacht wird." Aus seiner Zeit als freier Fernsehautor einerseits und Redakteur andererseits kennt Wilhelm Reschl, Geschäftsführer des Hauses des Dokumentarfilms, die "schwierige Liebe" zwischen freien Autoren und Redakteuren nur zu gut. Auf der gleichnamigen Tagung in Stuttgart Anfang November äußerte er durchaus Verständnis für die Nöte der Filmemacher, die ihre Vorschläge oft nicht loswerden.

Die Gegenseite drückte auf die Tränendrüse. "Der Redakteur ist ein armer Hund", hatte Wolfgang Landgraeber, Leiter der WDR-Abteilung Gesellschaft/Dokumentation, als These formuliert - "aber er kommt damit zurecht." Wer der ärmere Hund ist, der Redakteur oder der freie Autor, und wer daran schuld ist, darüber gingen die Meinungen wie erwartet auseinander.

Wolfgang Landgraeber war lange Jahre ein unbequemer politischer Journalist, heute noch hat er den Ruf, ansprechbar zu sein für Filmvorschläge abseits des Massengeschmacks. Hier hatte er die undankbare Rolle, die Redakteursposition zu vertreten, nach dem Motto: Viel zu viel Arbeit, und die Filmvorschläge von außen sind oft unbrauchbar. 12 bis 14 Stunden pro Tag arbeiten sie angeblich, die Redakteure, ohne Chance, die Überstunden abzubummeln. Sie begleiten die Produktionen bis zum colour matching (Farbkorrektur) - wobei sich die Frage aufdrängt: Warum eigentlich?

Peter Latzel, Leiter der Abteilung Kultur und Gesellschaft beim SWR, pflichtete Landgraeber bei: Die Arbeit eines Redakteurs sei es nicht, Exposés zu prüfen. Eine überraschende Aussage. Denn wer sonst als die Redakteure sollte denn Exposés - also Vorschläge für neue Filme - prüfen? Niemand hakte ein, denn Latzel fuhr schon fort: Manchmal habe man 90 Sendeplätze im Jahr zu bestücken, und das sei viel Arbeit.

Sigrid Faltin, freie Fernsehautorin und -produzentin, hatte ein schönes Thema gewählt: "Der Redakteur im Spiegel der Kunst". Sie wollte nicht anklagen, kritisieren - der Jammerton kommt schlecht an. So ließ sie uralte Gemälde auf die Leinwand projizieren, Bilder aus der christlichen Verkündigungsgeschichte, und interpretierte sie auf ihre Weise. Devot knieend überreicht da eine Person ein Schriftstück an einen prächtig ausstaffierten, hochstehenden Mann - und Faltin sagte dazu, hier werde gerade ein Exposé eingereicht. Faltin beschrieb die verschiedenen Typen des Redakteurs, vom "ängstlichen" über den "privaten" bis hin zum "Hypochonder-Redakteur". Den "idealen Redakteur" und den "idealen Autor" kannte sie übrigens auch. Durchaus vergnüglich flocht sie kritische Aussagen über Redakteure ein und schob grinsend nach: Natürlich habe sie übertrieben.

Aber nun war sie im Raum, die Kritik an den Redakteuren, und diese wehrten sich. Manchmal würden Redakteure durch Autoren auch "regelrecht betrogen", sagte Peter Latzel. Wenn in Exposés Versprechungen gemacht würden, die dann nicht eingehalten würden. Flugs folgte der nächste Referent, Karl Maier, Leiter der Abteilung Controlling (SWR). Er zeigte Grafiken, Statistiken, Tortenstücke. Er sprach von target costing (ein Begriff aus der Automobilindustrie), von cash cows und poor dogs, und von der Orientierungsmarke zum Vergleich der Kosten verschiedener Filmformen: dem leanest price. Das kam nicht gut an.

Thomas Leif vom Netzwerk Recherche, ein langjähriger Fernsehprofi, hatte ein anderes Motto: "Recherche ist Luxus. Gönnen Sie sich diesen Luxus." Eigentlich, so Leif, "sind Hierarchen, Redakteure und Autoren Komplizen" - sie wollen gute Filme senden. Aber für gute Recherche sei meist kein Geld da. Wolfgang Richter und Hannes Karnick, beide freie Filmemacher, erinnerten an frühere Zeiten, als man noch zusammen neue Filmstoffe entwickelte, heute sei das schwieriger. Spätestens als Richter sagte: "Wir kommen uns manchmal vor wie Psychotherapeuten, wenn wir in die Redaktionen kommen", regte sich massiver Unmut. Mechthild Rüther, SWR-Redakteurin und Autorin, empfand die Kritik als "Schelte". "Es wird immer hochnäsige Redakteure und nicht konzentrierte Autoren geben. So kommen wir nicht weiter!" MDR-Redakteurin Saskia Barthel wusste zwar, ohne die Autoren seien die Redakteure "aufgeschmissen": "Aber ich will auch Respekt!"

Als es ums Geld ging, beklagte Günter Ederer, altgedienter freier TV-Autor, die "Zunahme der Stabsstellen" in den Verwaltungen der Sender. Die Honorare der Freien dagegen seien seit mindestens zehn Jahren unverändert geblieben. WDR-Fernsehautor und -redakteur Gerd Monheim wollte jungen Kollegen gar nicht mehr raten, so umfassend zu recherchieren, wie es etwa für den Film "Das Schweigen der Quandts" nötig war. Der Aufwand würde ihnen schlicht nicht bezahlt: "Wir überlegen uns schon, wie die Autoren überleben können." Diese Frage war für Wolfgang Landgraeber nicht so ein Problem. "Ein Autor kriegt bei uns für einen 45-Minüter ein Honorar von 30.000", sagte er. Ungläubiges Gemurmel im Saal; darauf er: "Sorry. Das war der Betrag in D-Mark. Natürlich sind es 15.000 Euro." Gelächter der Anwesenden. "Der Redakteur hat Macht", hatte Sigrid Faltin festgestellt. Und solange die Redakteure nicht erkennen, dass sie in einem immer schwierigeren Umfeld die Diskussion mit den Kreativen außerhalb der Sender suchen müssen, wird sich an der "schwierigen Liebe" auch nichts ändern.

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