Xavier Naidoos staatstragende Kunst: Hölle auf Erden

Der Sänger Xavier Naidoo bespaßt unsere Jungs. In Afghanistan. Dabei wird klar: Wenn er sich nicht so ernst nähme, dann könnten wir das endlich tun.

Gestern Afghanistan, vorgestern Songcontest, vorvorgestern Zwangsheirat - in jedem Senf, den Xavier Naidoo dazuquaken kann, steckt ausbaufähiges Promopotenzial. Bild: dpa

"Alles kann besser werden / Holen wir uns den Himmel auf Erden / Keiner muss sein Leben mehr gefährden / Einer unserer kostbarsten Schätze auf Erden". So säuselt der überzeugte Vegetarier Xavier Naidoo auf dem Titelsong seines neuen Albums "Alles kann besser werden". Wie schon oft dräut auch aus diesem auf wattige Beats gebetteten Song eine christliche Botschaft, die Naidoo mit seiner Jugendgottesdienststimme vorträgt. Auch wenn er behauptet hat, er würde nicht mehr so oft von Gott singen, der 38-Jährige ist ein fanatischer Verfechter religiöser Themen wie Nächstenliebe.

Der Mannheimer Soulsänger mit indischem Vater hat die einschmeichelnden Zeilen von "Alles kann besser werden" am vergangenen Freitag auch live vorgetragen. Diesmal waren seine Zuschauer einmal nicht R & B-Fans und Verkehrsradiohörer, Naidoos eigentliche Zielgruppe, sondern im afghanischen Kundus stationierte Bundeswehrsoldaten der Operation "Enduring Freedom".

Dass Naidoo glaubt, seine Freiheit werde von den Isaf-Truppen am Hindukusch verteidigt, hat die Bundeswehr bereits vorab selbst infrage gestellt. "Mit seinem Auftritt wolle er vor allem deutlich machen, dass er hinter den Frauen und Männern steht, die hier täglich ihr Leben riskieren.

Dies verdiene hohe Anerkennung, auch wenn man nicht mit den Zielen der Mission übereinstimme", heißt es in einem Schreiben der Bundeswehrpressestelle Kundus. Naidoos Auftritt in Afghanistan ist Teil der neuen Initiative "Frontkultur", mit der die deutschen Truppen zum Zeichen ihrer Wertschätzung von Kulturschaffenden aktiv unterstützt werden.

So ganz geheuer scheint Naidoo sein eigenes Engagement jedoch nicht zu sein. Er eiert fast so herum wie Politiker, die statt von Krieg in Afghanistan von bewaffnetem Konflikt sprechen. "Weder befürwortet er grundsätzlich diesen Einsatz noch möchte er sich selbst in Szene setzen", heißt es dazu auf Naidoos Homepage.

Und dann macht er auch noch auf guter Schwiegersohn. "Auch den vielen Familien zu Hause in Deutschland, deren Mütter, Väter, Söhne und Freunde so weit weg sind, will er mit seinem Besuch ein wenig Mut zusprechen." Beim Blick auf Naidoos Homepage drängt sich ansonsten eher der Eindruck auf, der Künstler arbeitet sich an einem vollen Terminkalender ab.

Gestern Afghanistan, vorgestern Songcontest, vorvorgestern Zwangsheirat. Egal ob Naidoo der Grandprixgewinnerin Lena Meyer-Landrut die Daumen drückt oder zur ZDF-Reportage "37 Grad" einen Song über Gewalt gegen muslimische Frauen beisteuert, in jedem Senf, den er dazuquaken kann, steckt ausbaufähiges Promopotenzial.

Und trotzdem macht man es sich zu einfach, den Auslandseinsatz des ehemaligen Türstehers als instinkt- und ahnungslose staatstragende Kunst zu brandmarken. Wenn er ein paar Nummern kleiner gegen Nazis mobilmacht, wirkt er viel glaubwürdiger. So sind auf dem Video zu "Alles kann besser werden" auch Fred-Perry-Hemden tragende Skinheads zu sehen, die auf ein Opfer einstiefeln.

Auch in der Vergangenheit hat Naidoo immer gegen Rassismus gekämpft. Er ist Teil des Projekts Brothers Keepers gewesen, das schwarze deutsche Rapper nach dem rassistisch motivierten Mord an dem afrodeutschen Fleischer Alberto Adriano am 14. Juni 2000 in Dessau initiierten.

Wenn er nur endlich einen Produzenten finden würde, der zu seiner unverwechselbaren Stimme - hierzulande schwankt niemand so schön zwischen Freude und Schmerz - kopfstarke Musik schreiben und die Lothar-Matthäus-haften Auftritte unterbinden könnte. Dann vielleicht könnte aus dem Mann doch noch ein ernstzunehmender Musiker werden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.