Bremer Bürgerschaftswahlkampf: Ampeln bleiben auf Rot-Grün

In zwei Wochen wählt Bremen einen neuen Landtag. Spannend ist nur, ob die rot-grüne Koalition eine Zwei-Drittel-Mehrheit erobert. Dass die Grünen die Mitte gewonnen haben, steht schon vorher fest.

Bremer Stadtmusikanten: Im Wahlkampf gibt es für sie nichts Spannendes zu sehen. Bild: dpa

BREMEN taz | Wahlkampf in Bremen? Mal nicht so hemmungslos dramatisieren. Am 22. Mai wird im kleinsten Bundesland gewählt, so viel ist richtig. Es treten 369 KandidatInnen zwischen 19 und 84 Jahren auf 18 unterschiedliche Listen an.

Von denen tauchen zwei nur auf dem Stimmzettel für Bremerhaven, drei nur auf dem Bremens auf. Aber Kampf? Beobachten lässt sich allenfalls eine Auseinandersetzung. Nur: über was?

Themen sind Mangelware in dieser Bremer Vorwahlsaison. Das liegt auch am Pazifizierungsgeschick der rot-grünen Koalition: In der stets hitzig und breit und ideologisch ausgetragenen Bildungsfrage hat man sich auf einen Kompromiss mit der CDU eingelassen.

Die jüngste Umfrage zur Wahl in Bremen haben die Meinungsforscher von Emnid für den Focus erstellt. Das Ergebnis:

SPD: 37 Prozent

Grüne: 24 Prozent

CDU: 22 Prozent

Linke: 7 Prozent

FDP: 4 Prozent

Es gibt weiterhin Gymnasien mit acht, und es gibt Ober- und Gesamtschulen mit neun Jahren bis zum Abi. Dass damit das Ziel des längeren gemeinsamen Lernens nicht ganz verwirklicht wird, hat niemanden empört: Hauptsache, Ruhe ist.

Lähmendster Faktor allerdings ist die Haushaltsnotlage: Ohne Geld gibts keinen Streit, weils nichts zu verteilen gibt. Auf ein Viertel Promill des Landeshaushalts lässt sich derzeit der Handlungsspielraum des Parlaments beziffern.

In der Bürgerschaft herrscht dabei weitestgehend Einigkeit über den Ausweg aus der Misere. Nur Die Linke hält die Schuldenbremse für verfehlt. Sie lehnt daher den Sparkurs ab: Das Land sei bereits jetzt "bis auf die Knochen" abgezehrt, heißts im Wahlprogramm.

Die im Grundgesetz zugesicherten 300 Millionen Euro Konsolidierungshilfe bekommt Bremen allerdings nur, wenn das Land den Abstand zwischen Ausgaben und Einnahmen in zehn gleichen Schritten bis 2020 auf Null herunterfährt.

Die aktuelle Neuverschuldung beträgt 1,2 Milliarden. Ein Zehntel davon sind 120 Millionen: Die müssen also Jahr für Jahr aus dem Haushalt geschnitten werden, der zurzeit noch ein Volumen von vier Milliarden hat. Das ist happig. Die Linke warnt deshalb vorm Sozialkollaps.

Dagegen verspricht Finanzsenatorin Karoline Linnert (Grüne), "unblutig" und Senatspräsident Jens Böhrnsen (SPD) sogar so zu sparen, "dass es der Bürger nicht merkt", selbst wenn 950 Stellen im öffentlichen Dienst dabei wegfallen sollen.

Union und FDP, auf die Schuldenbremse abonniert, können in dieser Kernfrage allenfalls versuchen, die Regierungskoalition zu überbieten: Sie werben mit der Forderung nach "brutalstmöglichem Sparen" - O-Ton CDU-Chef Thomas Röwekamp -, nach schärferen Einschnitten und Vermögensveräußerungen für sich. Das macht sie kaum attraktiv. Zum Anderen entwerfen sie ein Bild von Rot-Grün als einer "Ausgabenkoalition".

Dazu dienen Mantras, die kleinteilige Konflikte auf Dauer stellen. So stören sich FDP und CDU seit Januar gewaltig an einer neuen Ampelanlage auf einem Autobahnzubringer. Über den führten zuvor bereits Fußgängerbrücken, das ist wahr, bloß waren die recht steil, für Gehbehinderte kaum, für Rollstuhlfahrer ohne Schiebe-Zivi gar nicht passierbar, weshalb der Stadtteilbeirat von Schwachhausen ja auch die Ampeln wollte, mehrheitlich.

Die Installationskosten von 500.000 Euro rechnen Schwarz und Gelb ihrem Erzfeind, dem grünen Verkehrs-, Bau- und Umweltsenator Reinhard Loske, seither wieder und wieder vor, der durch derartige Maßnahmen, die Umweltzone, kurz durch sein klimapolitisches Profil den Wirtschaftsstandort gefährde. Im CDU-Wahlprogramm steht sogar, dass sie abgeschaltet würden, die Ampeln, falls man an die Regierung - käme.

Jawoll, käme. Kommt wäre zwar grammatikalisch richtig, aber sachlich falsch: Die Union glaubt natürlich selbst nicht daran, dass ihre Spitzenkandidatin Rita Mohr-Lüllmann Bürgermeisterin werden könnte. Noch im Februar wussten nur gut 40 Prozent der BremerInnen etwas mit ihrem Namen anzufangen.

Damals hätten rund 26 Prozent CDU gewählt. Intensiv hat sie seither, zumal im Verborgenen, daran gearbeitet, bekannter zu werden. Jetzt hält die Union in den Umfragen strikt auf die 20-Prozent-Marke zu. Die SPD würde ihr Ergebnis von 2007 wiederholen. Und die Grünen gewinnen im gleichen Maße, wie die CDU verliert: Mit 24 Prozent sieht Emnid sie bereits als zweite Kraft im Land.

Klar wäre das auch in Bremen ein Rekord. Aber kein Zufall. Denn mit der Grünen-Liste ist, trotz mäßiger Mitgliedszahlen, ein guter Bevölkerungsquerschnitt gelungen: Frauen, Männer, da ist sie quotiert, MigrantInnen, das ist fast selbstverständlich.

Überraschender vielleicht, dass die Grünen wohl die jüngste Abgeordnete und den Alterspräsidenten der nächsten Bürgerschaft stellen, dass für sie auch Handwerker und Weinhändler, und nicht bloß AkademikerInnen antreten.

Und mit Vize-Fraktions-Chef Björn Fecker hat man einen veritablen Fußballverbandspräsidenten in den eigenen Reihen. Dass er eher zum linken Parteiflügel zählt, ändert nichts am Befund: In Bremen ist die Mitte längst schon grün, nicht nur der gleichnamige Stadtteil, wo sie um die 50 Prozent einfahren. Und rot-grün ist dort die Große Koalition der Zukunft.

Bei der Wahl spannend sind also eher sekundäre Fragen: Etwa ob die Koalition eine Zwei-Drittel-Mehrheit erobert, wie die Wahlbeteiligung ausfällt, ob sich die Senkung des Mindestalters auf 16 Jahre da auswirkt. Und: Ob die FDP wirklich so weit unter fünf Prozent bleibt, wie sies verdient. Also nicht nur inhaltlich, sondern von ihrer Performance der vergangenen vier Jahre her beurteilt.

Denn die war vom ersten Sitzungstag an geprägt durch Personalquerelen - also genau genommen durch den Streit um den einzigen dotierten Posten, auf den die Liberalen Zugriff hatten, nämlich den des Fraktionsvorsitzenden. Damit war dann im Dezember Schluss: Ein Abgeordneter trat aus, blieb aber im Parlament - und die FDP verlor den lukrativen Fraktions-Status einschließlich des Vorsitzenden-Bonus.

Dafür ist die CDU natürlich zu groß. Doch auch in der ist erst Ende Dezember eine Art bewaffneter Friede eingekehrt: Die Listenaufstellung war begleitet von mehreren Austritten und Schiedsverfahren.

Man sei im Begriff, "die Partei umzubauen", hieß es, sich "neu aufzustellen", das von Beustsche-Schlagwort von der modernen Großstadtpartei wurde bemüht - während gerade doch die schwarz-grüne Koalition in Hamburg in die Brüche ging. Ein unglücklicher Zeitpunkt.

Und weil einige bei dieser inneren Reform auf die hinteren Plätze aussortierten Alt-Abgeordnete gute Chancen haben, über die Personenstimmen erneut in die Bürgerschaft einzuziehen, wird auch die künftige Fraktion mit diesen Kränkungen und Streitigkeiten umzugehen haben.

Gleich zwei ad hoc-Bündnisse und die bereits im Landtag vertretenen rechtspopulistischen Bürger in Wut machen sich Hoffnung auf Stimmen der nachhaltiger Verstimmten. Und die Hürde ist, gerade bei der traditionell schwachen Bremer Wahlbeteiligung nicht allzu hoch: Für ein Landtagsmandat reichts, fünf Prozent in der 113.000 Einwohner-Stadt Bremerhaven zu erreichen. Den Wutbürgern gelang das 2007 aus dem Stand, und gleich dreimal in Folge der DVU.

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