Neuer Wirbel um Atommülllager: Nazi-Uran in der Asse

Ein Ex-Betriebsleiter des niedersächsischen Atommülllagers hat schon vor 37 Jahren gesagt, dass man 1967 Uranabfälle der Nazis in der Asse gelagert habe. Die Unterlagen aus dieser Zeit sind bis heute unvollständig.

Atommülllager seit 44 Jahren: die umstrittene Asse. Bild: dpa

HAMBURG | taz Wurden im niedersächsischen Atommülllager Asse auch Rückstände aus der Atombombenforschung der Nationalsozialisten verbuddelt? Eine vor 37 Jahren gemachte Aussage des Bergingenieurs und damaligen stellvertretenden Asse-Betriebsleiters Alwin Urff, der für die damalige Betreibergesellschaft - die Gesellschaft für Strahlenschutz - arbeitete, legt das zumindest nahe.

"Als wir 1967 mit der Einlagerung begannen, hat unsere Gesellschaft als erstes radioaktive Abfälle aus dem letzten Krieg versenkt, jene Uranabfälle, die bei der Vorbereitung der deutschen Atombomben anfielen", wurde Urff am 29. Juli 1974 von der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung zitiert. "Die mußten wir nämlich aus Betonbunkern in der Nähe von München herausholen, wo sie seinerzeit deponiert worden waren, weil man damals ja nicht wußte, wo in drei Teufels Namen man das Zeug denn lassen sollte."

In den letzten Jahren des Zweiten Weltkriegs arbeiteten die Nationalsozialisten mit Hochdruck an der Entwicklung einer eigenen Atombombe. Zu den wichtigsten am sogenannten "Uranprojekt" beteiligten Wissenschaftlern zählten Werner Heisenberg, Carl Friedrich von Weizsäcker und Karl Wirtz vom Kaiser-Wilhelm-Institut für Physik in Berlin.

Trotz einiger Erfolge gelang es ihnen bis Kriegsende nicht, eine kontrollierte nukleare Kettenreaktion in einem Reaktor in Gang zu setzen. Als die britische Luftwaffe im Herbst 1943 mit ihren Angriffen auf Berlin begann, zogen Teile des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Physik nach und das Kaiser-Wilhelm-Institut für Chemie unter Otto Hahn nach Süddeutschland um. Was mit den Uranresten nach Kriegsende geschah, ist bislang nicht öffentlich bekannt geworden.

Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS), seit Anfang 2009 Betreiber der Asse, hat keine Erkenntnisse über Uranmüll aus der deutschen Atombombenforschung im Bergwerk. Ob Teile des dort eingelagerten Materials bei der Entwicklung einer Atombombe angefallen seien, lasse sich jedenfalls auf Grundlage der seiner Behörde vorliegenden Aufzeichnungen nicht beantworten, sagt Behördensprecher Werner Nording.

In das ehemalige Salzbergwerk Asse im Landkreis Wolfenbüttel wurde von 1967 bis 1978 Atommüll eingelagert.

Nach offiziellen Angaben befinden sich in den früheren Abbaukammern rund 126.000 Fässer mit schwach und mittelradioaktiven Abfällen.

Bis Ende 2008 galt die Asse als "Forschungsbergwerk". Seit Anfang 2009 ist das Bundesamt für Strahlenschutz Betreiber der Anlage. Die Asse wurde dem Atomrecht unterstellt und wie ein Endlager behandelt.

Das Bergwerk ist instabil. Jeden Tag fließen an verschiedenen Stellen rund 12.000 Liter Lauge in die Asse. Ein kleiner Teil der Zuflüsse ist radioaktiv kontaminiert.

Die Standsicherheit des Grubengebäudes ist einem Gutachten zufolge bis 2020 gewährleistet.

Nach der Prüfung mehrerer Optionen zur sicheren Schließung der Asse entschloss sich das Bundesamt für Strahlenschutz, alle radioaktiven und chemischen Abfälle aus den Kammern zu holen. RP

Der bis Ende 2008 verantwortliche Asse Betreiber - besagte Gesellschaft für Strahlenschutz, die inzwischen Helmholtz Zentrum heißt - hat dem Bundesamt für Strahlenschutz zwar eine Einlagerungs-Dokumentation übergeben. Diese Dokumentation, so das Bundesamt, entspreche aber nicht den aktuellen Anforderungen an ein Endlager. Insbesondere bei der Dokumentation der ersten Einlagerungsphase 1967 fehlten wichtige Informationen zu Inhalt und ursprünglicher Herkunft der Abfälle. "Fakt ist, dass in der Asse auch Uran eingelagert wurde", betont Nording.

Ob in der Asse Uranabfälle der Atomwaffenforschung aus dem Zweiten Weltkrieg liegen, weiß auch Stefan Wenzel nicht. Nach Ansicht des Grünen-Fraktionschefs in Niedersachsen erhärtet der Pressebericht aus dem Jahr 1974 aber die Vermutung, dass die Informationen zum radioaktiven Inventar der Asse immer noch unvollständig sind. Der Untersuchungsausschuss des Landtags habe in zwei Jahren keine einzige Information zu Einlagerungen von militärischen Abfällen aus dem zweiten Weltkrieg bekommen, sagt Wenzel. Fakt sei allerdings, dass die Euratom-Behörde, die Rechtsnachfolger des Kernforschungszentrums Karlsruhe und das Bundeskanzleramt dem Ausschuss nur "rudimentäre Akten" geliefert haben.

Gegen das Kanzleramt hat der Untersuchungsausschuss des Landtages inzwischen eine Klage auf Aktenherausgabe eingeleitet. Bereits zweimal hat das Kanzleramt um Verlängerung der Fristen für die Klageerwiderung gebeten. "Ich gehe davon aus, dass sich in diesen Papieren noch etwas findet", sagt Wenzel.

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