KOMMENTAR: ANDREAS SPEIT ÜBER RECHTSEXTREMISMUS IN NIEDERSACHSEN
: Zu wenig nach rechts geschaut

Der Zuwachs der Kameradschaften hätte längst wahrgenommen werden können

In Niedersachsen konnten die „Freien Kameradschaften“ als militante Neonazistruktur neue Anhänger gewinnen. Ihre Mitgliederzahl wuchs im vergangenen Jahr, musste Verfassungsschutzpräsident Hans-Werner Wargel einräumen. Das überrascht: Hatte der Verfassungsschutz (VS) nicht in den vergangenen Monaten sehr viel von der vermeintlich linksradikalen Gefahr geredet?

Schon beim Amtsantritt von Wargel wurde befürchtet, dass der Linksextremismus als neues Ziel für den VS definiert wird. Innenminister Uwe Schünemann (CDU) hatte seinen neuen Verfassungsschutzpräsidenten wegen seiner „erfolgreichen Bekämpfung“ des „politischen Extremismus“ als Polizeipräsident in Göttingen gelobt – und ins Amt geholt. Gemeint war damit Wargels Einsatz gegen Linke, denn eine starke rechtsextreme Szene gibt es in Göttingen nicht.

Über die Kameradschaften ließ der VS indes seit längerem kaum etwas verlauten. Mit dieser Szene tun sich die Ämter schwer. Schnell wird lieber von loser Clique, als von fester Kameradschaftsgruppe geredet. Doch gerade dieses Netzwerk bietet mit Partys, Konzerten, Aufmärschen und Sprühaktionen eine rechte Erlebniswelt an, die besonders Jugendliche und junge Erwachsene anspricht.

Bei den letzten Aktionen hätte der Zuwachs schon wahrgenommen werden können – wenn man ihn hätte sehen wollen.