Arbeiterwohlfahrt eröffnet Insolvenzverfahren: Eine "Auszeit" für die AWO

Die SPD-nahe Arbeiterwohlfahrt in Bremen hat wegen dubioser Immobilien-Geschäfte aus den Neunzigern Insolvenz angemeldet - soll aber gerettet werden

Burkhard Schiller, Vorstand der AWO und Aufsichtsratschefin Eva-Maria Lemke-Schulte (SPD). Bild: Jan Zier

Der Kreisverband Bremen der Arbeiterwohlfahrt (AWO) hat gestern beim Amtsgericht Bremen ein Insolvenzverfahren eröffnet.

Gleichwohl bezeichnete Burkhard Schiller, Vorstandsvorsitzender des AWO-Kreisverbandes Bremen e.V. die seit 2008 laufende Sanierung als "zum größten Teil" gelungen. "Wir sind nicht pleite", sagte auch Eva-Maria Schulte-Lemke (SPD), die Aufsichtsrats- und Kreisvorsitzende der AWO. Das Problem sei "sehr eingegrenzt". Auch von Entlassungen bei MitarbeiterInnen könne keine Rede sein. Unmittelbar betroffen sind zunächst 300 der insgesamt 1.500 bei der AWO Beschäftigten. Der Geschäftsbetrieb der 80 Einrichtungen läuft "vollständig weiter", heißt es in einer offiziellen Erklärung.

Als im Grunde einziges noch gravierendes Problem der AWO Bremen werden immer wieder "Immobilien-Altlasten" genannt. Es geht dabei um Mietverträge für eine Handvoll von der AWO genutzten Häuser in Bremen und umzu, die noch Ende der neunziger Jahre abgeschlossen worden seien. Sie haben zum Teil Laufzeiten von 25 Jahren, heißt es, und verursachen jährliche Defizite im "höheren sechsstelligen Bereich". Um welche Immobilien es sich genau handelt, will Schiller nicht sagen, auch nicht, wem sie gehören. Die Rede ist von deutschen Fonds, jedenfalls aber von nicht-staatlichen Vermietern. Auf die Frage, wer die Mietverträge namens der AWO unterschrieben hat, wollten Schiller und Lemke-Schulte zunächst gar nicht antworten. Langjähriger Geschäftsführer der AWO war damals noch der 1999 entlassene Hans Taake, allerdings saß auch Schiller in den neunziger Jahren schon mit in der Geschäftsleitung. Taake hatte an den Immobiliengeschäften der AWO über Provision privat verdient.

Zwar habe man in den letzten Jahren versucht, über die Mietverträge zu verhandeln, so Schiller, sei jedoch "juristisch gescheitert" und bislang von den fraglichen Vermietern "nicht ernst genommen" worden. Eine Insolvenz würde es der AWO ermöglichen, die Verträge kurzfristig zu kündigen. Was dann aus den betroffenen Einrichtungen würde - unter anderem betreutes Wohnen - ist bislang jedoch unklar.

Der vorläufige Insolvenzverwalter Edgar Grönda zeigte sich zuversichtlich, dass "alle Teile" der AWO im Zuge der jetzigen "Reorganisation" fortgeführt werden könnten. Das gestern beim Amtsgericht Bremen eröffnete Verfahren nannte Grönda "eine Auszeit" für die AWO. Und während Grönda sich "nicht zutraute", den Worst Case-Fall der Insolvenz auch nur zu skizzieren, machte Schiller klar: Wenn es nicht gelinge, die Immobilien-Altlast loszuwerden, stehe auch der Rest der Sanierung in Frage.

Obwohl der jetzige Schritt, den Lemke-Schulte als "alternativlos" bezeichnete, sich laut Schiller bereits in der vergangenen Woche abgezeichnet hatte, war der AWO-Betriebsratsvorsitzende Arno Ostfeld gestern ebenso überrascht wie die Geschäftsführung der AWO in Bremerhaven. Ostfeld kritisierte die Immobiliengeschäfte der AWO aus den neunziger Jahren als "unseriös". Auch habe die Sanierung unter dem dafür beauftragten Robert Breuer "nicht wie erhofft gegriffen". Schiller verteidigte die langen Laufzeiten der Verträge indes als für damalige Verhältnisse "ganz normal". 2008 hatte er noch versichert: "In zwei Jahren sind wir eine gesunde AWO."

Allerdings musste im Sommer vergangenen Jahres bereits die ASC, eine 100-prozentige Tochter der AWO, Insolvenz anmelden - ein knappes Jahr nach ihrer Gründung. Der Gewerkschaft Ver.di zufolge hatte die AWO ihrer Tochter keine kostendeckenden Preise für deren Leistungen gezahlt. Immer wieder kam damals der Vorwurf auf, die Insolvenz der ASC sei Teil einer "bewussten Strategie" gewesen. Betroffen waren über 200 MitarbeiterInnen. Geschäftsführer der ASC war derselbe wie bei der AWO: Burkhard Schiller.

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