„Zuschauer sind auch aktiv“

Diskussion über Täter, Zuschauer und Opfer

■ 52, ist Sozialpsychologe und leitet am Kulturwissenschaftlichen Institut in Essen die Forschungsgruppe „Erinnerung und Gedächtnis“. Foto: Archiv

taz: Herr Welzer, Sie forschen über Täter im Nationalsozialismus. Kann man die Erkenntnisse auf die heutige Gesellschaft übertragen?

Harald Welzer: Das Problem war damals nicht, dass böse Menschen böse Dinge begangen haben. Sondern, dass gute Menschen böse Dinge begangen haben. Oftmals waren das Menschen, die psychologisch so gut oder schlecht waren wie Sie oder ich.

Und wie kommt es dann, dass gute Menschen Böses tun?

Jedenfalls ist da kein Ufo gelandet, aus dem Nazis ausgestiegen sind, die das Volk verführt haben. Ich glaube, wir müssen uns anschauen, wie gesellschaftliche Entwicklungsprozesse verlaufen, die es Menschen für sinnvoll erscheinen lässt, sich ausgrenzend zu verhalten – bis hin zur Beraubung und Vernichtung.

Sie werden mit Jugendlichen diskutieren, die selbst Studien über Nazis angefertigt haben.

Es geht um die Frage, wie wird man eigentlich Täter und ist man als Zuschauer eigentlich nur passiv oder trägt man nicht auch zur Tat bei. Es gibt in einem sozialen Gefüge eigentlich keine Zuschauer, Zuschauer sind auch aktiv, wenn sie zum Beispiel durch ihre Präsenz dokumentieren, dass es hier mit rechten Dingen zugeht und durch das Nicht-Einschreiten Handlungen legitimieren. Wir müssen von den allzu schematischen Bildern wegkommen, dann kann man das Vergangene auch auf die Gegenwart übertragen. INTERVIEW: DKU

Vortrag und Diskussion „Täter, Zuschauer, Retter?“: 19 Uhr, Körber-Forum, Kehrwieder 12