Simbabwe zwischen Hoffen und Bangen: Das Ende der Ära Mugabe?

Zwei Wochen nach den Wahlen gibt es noch kein Ergebnis - die Bevölkerung ist erschöpft. Doch ein neuer, zaghafter Optimismus hat die Menschen erfasst.

Wahl? Egal: Mugabe regiert . Bild: dpa

HARARE taz Im Book Café, dem verrauchten Treff der simbabwischen Kulturszene, ist man optimistisch. "Wir bereiten schon mal die Abschiedsparty für Mugabe vor", tönt einer der Musiker von Comrade Fatso, der derzeit angesagtesten Band im Land. Ihr neues Album "House of Hunger" war binnen Stunden ausverkauft. "Politiker verkaufen uns wertlose Worte, sie wollen eine wortlose Gesellschaft, aber Schweigen ist scheiße", rappen sie in einem der Songs. Die Zuhörer klatschen begeistert. Für sie steht fest: Was immer "Comrade" Mugabe, wie er in den Staatsorganen genannt wird, noch vorhat - seine Zeit ist abgelaufen.

Die taz ist die einzige deutsche Zeitung, die seit den Wahlen in Simbabwe kontinuierlich mit eigenen Korrespondenten aus dem Land arbeitet. Neben dem simbabwischen Journalisten Shakeman Mugari, der regelmäßig aus Simbabwe für die taz berichtet, gelang es diese Woche auch taz-Reporter Marc Engelhardt, für einige Tage in das Land einzureisen. Ansonsten befinden sich jetzt keine deutschen Journalisten mehr in Simbabwe. Fünf ausländische Journalisten, darunter drei Südafrikaner, wurden nach Angaben der regionalen Medienvereinigung Misa seit dem 27. März in Simbabwe festgenommen

Fast zwei Wochen nach der Präsidentenwahl ist das Ergebnis immer noch nicht verkündet worden, und es sieht nicht so aus, als werde Mugabe freiwillig das Feld räumen. Aber in all der Unsicherheit hat sich unter vielen Simbabwern eine Zuversicht ausgebreitet, die es vorher nicht gab. "Es kann einfach nicht so weitergehen", bilanziert Unternehmensberater Gibson. Früher oder später, so glaubt er, wird das System implodieren. So gebe es Anzeichen dafür, dass ein Großteil der Elite sich ins Ausland absetzen will, wenn sie es nicht schon getan hat. "Die wollen, dass die absehbare Stichwahl um das Präsidentenamt erst in drei Monaten stattfindet, damit sie Zeit genug haben, abzuziehen." Dafür spricht, dass die Regierung gerade noch einmal die Summe verringert hat, die täglich bei den Banken abgehoben werden darf. Eine Milliarde simbabwischer Dollar pro Tag sind jetzt die Obergrenze. So viel haben die wenigsten Simbabwer, aber als Stopp für eine Kapitalflucht der Reichen und Mächtigen ist das Verbot effektiv.

Die staubige Straße nach Mbare ist kaum befahren. Nur ab und zu rast hupend einer der rostigen Toyotabusse an den flachen, steinernen Arbeiterhäusern vorbei. Die Sammeltaxis verkehren sonst zu Hunderten vom ältesten Armenviertel der simbabwischen Hauptstadt ins Zentrum. Jetzt stehen die Lastwagen, die sonst Gelegenheitsarbeiter zu Baustellen bringen, still am Straßenrand, einige Fahrer haben sich im Schatten der Fahrzeuge häuslich eingerichtet. Es gibt nichts und niemanden zu befördern. Bleiben die Leute jetzt aus Angst vor Unruhen zu Hause? "Ach Quatsch", sagt Robert, einer der wartenden Fahrer. "Es gibt keine Baustellen und auch sonst keine Arbeit, deshalb bleiben die Leute hier in Mbare."

Mbare ist eine Hochburg der Opposition, weswegen der seit der Unabhängigkeit 1980 regierende Präsident Robert Mugabe vor drei Jahren dort Hunderttausende vertreiben ließ. In der Operation "Murambatsvina" ("Müllabfuhr") rissen Bulldozer mitten im Winter tausende Hütten ab, die meisten Bewohner flohen aufs Land. Wer blieb, der hat bei dieser Wahl für die "Bewegung für demokratischen Wandel" (MDC) und ihren Chef Morgan Tsvangirai, gestimmt. An dessen Sieg glauben nicht nur hier in Mbare alle. Wenn er nicht bald verkündet wird, so warnt der grauhaarige George, dann wird ganz Mbare auf die Straße gehen. "Ich werde der Erste sein, der gegen Mugabe demonstriert."

Doch bislang warten die meisten Bewohner nur ab. Regina, Mutter eines kleinen Sohns, flüstert: "Angeblich bereiten ein paar Leute schon etwas vor." Sie selbst hat den Tag in der Schlange vor einem Supermarkt verbracht, es soll Brot kommen. "Nach zwei Stunden wollte ich eigentlich gehen, aber wir haben seit drei Wochen kein Brot mehr gehabt, und mein Sohn hat angefangen zu weinen - also bin ich geblieben." Das Brot kam nicht.

Die große Mehrheit der Bevölkerung ist schlicht zu erschöpft für einen Aufstand - und zwar nicht nur die Armen. "Ich habe Geld, aber was soll ich damit anfangen", ärgert sich ein Beamter im maßgeschneiderten Anzug, der vor einem Laden seinen gewienerten schwarzen Mercedes aufschließt und mit einem Bündel Simbabwe-Dollar wedelt. 50 Millionen steht auf jedem Schein - umgerechnet rund 70 Eurocent. "Maismehl, Zucker oder Pflanzenöl habe ich schon seit Monaten nicht mehr in den Regalen gesehen." Trotzdem, gibt der Mann zu, hat er erneut für die Regierung gestimmt. Warum, sagt er nicht. Aber viele Beamte machen sich zu Recht Sorgen, dass sie nach einem Regierungswechsel die über Jahre angesammelten Privilegien und ihre Arbeit verlieren könnten.

Auch deshalb hat Mugabe bei dieser Wahl selbst nach Ansicht der Opposition mehr als 40 Prozent der Stimmen bekommen, trotz der Rekordinflation von mehr als 164.000 Prozent. Ein anderer Grund ist die Angst: Viele flüstern, wenn sie über die Regierung sprechen. Mugabes Namen nehmen wenige in den Mund.

Und doch hat die Niederlage des Regimes bei den Parlamentswahlen Spuren hinterlassen. "Selbst der Geheimdienst ist gespalten. Vor denen habe ich keine Angst mehr und rede auf offener Straße über Politik", sagt der Unternehmensberater Gibson zuversichtlich. Seinen Namen will auch er geheimhalten. Dafür teilt der ehemalige Unternehmer, dem Mugabes Zanu-PF schon einmal erfolglos einen Ministerposten angeboten haben soll, sein Wissen mit. "Mugabe und die Polizeiführung wollten schon vor Tagen Unruhen in Harare schüren." Doch die jungen Polizeioffiziere eine Ebene tiefer seien nicht dazu bereit gewesen: "Die haben gesagt: Wenn Mugabe Leute umbringen will, dann soll er sich ein Maschinengewehr nehmen und selbst auf die Straße gehen, wir tun es nicht."

Dass das simbabwische Establishment, das auf Kosten der Mehrheit so lange gut gelebt hat, über die Zukunft gespalten ist, ist eindeutig. Die Mitteilung eines Luftwaffengenerals, man werde im Falle eines Falles unparteiisch bleiben und nicht Partei für eine Seite ergreifen, wurde sogar im Staatsradio verbreitet. Zeitgleich sind andere Generäle aufs Land entsandt worden, um Milizen und Soldaten gegen Oppositionsanhänger aufzuhetzen.

"Das Establishment, das sind auch Menschen, wir dürfen sie nicht überschätzen", erklärt der Methodistenpriester Johnny Dube die Widersprüche. "Die sind verwirrt, sie können nicht vorwärts und nicht zurück und wissen nicht, was sie als Nächstes tun sollen." Dube gehört zu den wenigen, die schon seit Jahren offen gegen die Regierung zu Felde ziehen. In einem Buch hat er den simbabwischen Kirchenverband und seine eigene Kirche beschuldigt, das System zu stützen. Dabei, glaubt Dube, könnten die Kirchen ein entscheidender Faktor zur Veränderung sein. "Wir sind überall im Land, auch da, wo die Politiker nur einmal vor der Wahl hingehen und dann nie wieder." Doch jetzt schweigen die Pfarrer. "Dabei stehen wir vor einem Umschwung, und wir hätten seine Speerspitze sein können."

Welche Kraft die Kirche entfalten könnte, wenn sie wollte, zeigt sich an der theologischen Hochschule, die am Stadtrand von Harare mitten im Grünen liegt. "Ist nicht, um mit Bonhoeffer zu sprechen, Zeit zum Handeln?", bezieht sich ein erregter Student auf den antifaschistischen Lutheraner, der aus den sicheren USA nach Nazideutschland zurückkehrte, um gegen Hitler zu kämpfen. "Wer uns mit Gewalt unterdrückt, hat eine entsprechende Antwort verdient", sagt ein anderer. Doch demonstrieren - das wollen sie dann doch nicht. "Menschenansammlungen sind ja verboten, und die Polizei kennt hier kein Erbarmen", gesteht Andrew, ein 18-jähriger Student. "Außerdem will die Opposition nicht, dass wir demonstrieren. Sie hat Angst, dass Mugabe dann den Notstand ausruft."

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