Waffen für Hutu-Kämpfer: Wenn der Milizionär zum Inder geht

Neue UN-Dokumente legen nahe, dass indische Blauhelme ruandischen Hutu-Milizen im Osten des Kongo auch militärisch unterstützt haben.

Nicht nur humanitäre Hilfe sollen indische Blauhelm-Soldaten geleistet haben. Bild: rtr

Auf der Lagekarte des indischen UN-Bataillons für die ostkongolesische Provinz Nord-Kivu prangten 74 Fähnchen für Positionen von Milizen. Im Briefing in Nord-Kivus Provinzhauptstadt Goma erklärten die indischen Generäle der durchreisenden ausländischen Delegation, sie hätten Wichtigeres zu tun, als die ruandische Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) zu jagen, deren Führer immerhin mitverantwortlich sind für Ruandas Völkermord 1994 und deren Kämpfer in Nord-Kivu zahlreiche Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung begehen: "Das dauert zu lange", sagte einer der Inder. "Unsere Verantwortung ist die Sicherheit der Bevölkerung."

Danach führten Verantwortliche für die Demobilisierung irregulärer Milizen aus, dass es auch politische Gründe dafür gab, die FDLR in Ruhe zu lassen. "Wir dürfen die politische Dimension des Problems nicht vernachlässigen", hieß es. "Die internationale Gemeinschaft muss Druck auf Ruanda ausüben, einen innerruandischen Dialog zu akzeptieren. Denn alle Extremisten, die wir getroffen haben, sagen uns: Wenn wir nach Ruanda zurückgehen sollen, müssen Sie wissen, dass wir keine normalen Leute sind. Wir sind hochrangig, wir waren früher VIPs."

Das war im Jahr 2005, und es war eine politisch ziemlich verheerende Positionierung der UNO, kaum elf Jahre nachdem UN-Truppen in Ruanda untätig der Ermordung von über 800.000 Menschen durch ebendiese Hutu-Truppen zugesehen hatten. In diesem Licht erscheint wenig verwunderlich, was jetzt allmählich durch Recherchen der BBC und der Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch" ans Tageslicht kommt: Die UN-Mission Monuc in Nord-Kivu kollaborierte 2005 mit der FDLR auf allen Ebenen - wirtschaftlich und politisch - und auch im nördlichen Nachbardistrikt Ituri arbeiteten Blauhelme mit Milizen zusammen, die die Monuc offiziell bekämpft.

"Human Rights Watch" veröffentlichte Ende letzter Woche einen explosiven "streng vertraulichen" Untersuchungsbericht der UN-Abteilung für interne Ermittlungen (OIOS) vom 7. Februar 2008. Es gebe "bestätigte Beweise" für eine Reihe von Vorwürfen gegen das indische Bataillon in Nord-Kivu 2005-06, steht darin. Indische UN-Soldaten hätten einer "Person mit FDLR-Verbindungen" Gold abgekauft und FDLR-Einheiten ihre Rationen verkauft. Im Virunga-Nationalpark habe ein UN-Hubschrauber den Milizen Munition im Austausch für Elfenbein geliefert.

Schwerwiegender noch: Auf Versammlungen mit der FDLR hätten hochrangige indische Militärs den ruandischen Hutu-Milizionären geraten, sich nicht von der Monuc nach Ruanda zurückschicken zu lassen, und in mehreren Fällen seien demobilisierungswillige FDLR-Kämpfer bei UN-Basen abgewiesen worden. In der Kleinstadt Nyabiondo gebe es "Fraternisierungen" zwischen Monuc und FDLR. "Weitere Informationen wurden gewonnen, wonach die FDLR problemlos in Gebieten unter Kontrolle des indischen Bataillons residiert, Versammlungen abhält und Patrouillen durchführt."

Für eine Reihe weiterer Anschuldigungen gebe es keine weiteren Beweise, so der OIOS-Bericht. Genannt werden unter anderem der Verkauf von Waffen an die FDLR und Geschäfte mit den FDLR-feindlichen Kämpfern des kongolesischen Tutsi-Rebellenführers Laurent Nkunda, einschließlich Lieferung von Waffen, Munition und Uniformen.

Diese Vorwürfe entbehren keineswegs der Grundlage: Rebellenführer Nkunda persönlich führte 2006 gegenüber der taz aus, er verstehe sich blendend mit den indischen UN-Einheiten, nachdem er den indischen Generälen klargemacht habe, Indiens Armee werde schließlich seit über 40 Jahren mit Kaschmir nicht fertig und könne daher kaum in den Bergen Ostkongos Frieden stiftfen.

Der OIOS-Bericht empfiehlt, UNO und Indien sollten gemeinsam weitere Ermittlungen planen. Doch "hochrangige OIOS-Offizielle überstimmten die Empfehlung weiterer Ermittlungen", kritisiert "Human Rights Watch" und veröffentlicht den stark abgespeckten OIOS-Abschlussbericht vom 20. Februar. Darin wird lediglich vorgeschlagen, Indien um "angemessene Maßnahmen" gegen die Verantwortlichen für die nachgewiesenen Verfehlungen zu ersuchen.

Die passive Haltung der Monuc gegenüber der FDLR hat sich seit 2005-06 verändert - damals, vor Kongos historischen freien Wahlen 2006, wurden die ruandischen Hutu-Kämpfer im Ostkongo als Ordnungskräfte akzeptiert, damit die Region ruhig bleibe. Heute ist die FDLR mit UN-Sanktionen belegt. Aber dass es innerhalb der UNO nicht möglich erscheint, aus damaligen Fehlern zu lernen, wirft nun Fragen auf. Der neue UN-Chef im Kongo, Alan Doss, der sein Amt Anfang dieses Jahres übernahm, sprach am Wochenende defensiv von "unfairen" Vorwürfen. Seine Sprecherin Marie Okabe ergänzte, man habe "keine Beweise für systematisches Fehlverhalten" gefunden.

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