Perus indigene Bevölkerung protestiert: Aufruhr gegen Landverkauf

Eine Protestwelle der indigenen Bevölkerungen in Peru gegen Holz-, Öl- und Bergbaufirmen erreicht das Parlament. Zwei Dekrete, die den Landverkauf an Investoren erleichtern, stehen nun auf der Kippe.

Bergbauarbeiter protestieren gegen die Regierungspolitik. Bild: dpa

PORTO ALEGRE taz Ein elftägiger Streik indigener Gemeinschaften im peruanischen Amazonasgebiet trägt erste Früchte. Am heutigen Freitag dürfte das Parlament in Lima mehrere Dekrete der Regierung zurückweisen, gegen die die lokale Bevölkerung seit drei Monaten Sturm läuft. Sie wehrt sich gegen die weitere Erschließung ihren angestammten Territorien durch Holzfäller sowie Erdöl- und Bergbaufirmen. Perus Präsident Alan García hingegen möchte per Dekret den Verkauf von Land an Investoren erleichtern - wenn es nach ihm geht, soll künftig eine absolute statt einer Zweidrittelmehrheit in einer Gemeinschaft den Verkauf von Grundstücken genehmigen dürfen.

Letzte Woche hatten DemonstrantInnen eine Erdgasanlage der argentinischen Firma Pluspetrol im Südosten Perus besetzt und eine Ölpipeline der Staatsfirma Petroperú im Norden des Landes blockiert. Außerdem beteiligten sich Tausende an Straßensperren, worauf García am Montag den Ausnahmezustand über drei Amazonasprovinzen verhängte. "Eine offene Kriegserklärung", urteilte Alberto Pizango, der Vorsitzende des Dachverbandes "Interethnische Entwicklungsvereinigung des peruanischen Urwaldes" (Aidesep), in dem 1.300 indigene Gemeinschaften zusammengeschlossen sind.

Die Parlamentskommission über andine, amazonische und afroperuanische Völker leitete am Dienstag die Entspannung ein: Trotz eindringlicher Plädoyers von vier Ministern wies sie mit sechs gegen drei Stimmen die beiden umstrittensten Dekrete vom Mai und Juni zurück. Die Gegenstimme und die zwei Enthaltungen kamen von Garcías Parteifreunden. Tags darauf unterzeichneten Alberto Pizango und Parlamentspräsident Javier Velásquez Quesquén das Abkommen über die heutige Sondersitzung, worauf die Protestierenden ihre Aktionen für 48 Stunden aussetzten. Zugleich aber wurden bei heftigen Zusammenstößen zwischen der Polizei und Demonstranten in der Provinz Bagua mindestens elf Menschen verletzt. Das Verfassungsgericht ließ derweil nach knapp drei Monaten eine Klage gegen die Dekrete zu, die nach herrschender Rechtslage mit den Betroffenen abgesprochen sein müssten.

Präsident Alan García gab sich konziliant im Ton, aber hart in der Sache. Eine Rücknahme der Dekrete durch das Parlament sei ein "historischer Fehler" und zeuge von "falschem Paternalismus", warnte der ehemals linke, mittlerweile neoliberal gewendete Staatschef. "Unsere bäuerlichen Gemeinschaften würden ein weiteres Jahrhundert lang in Ausgrenzung und Elend leben", sagte García, der es vermeidet, Begriffe wie "indigen" oder "indianisch" überhaupt in den Mund zu nehmen. Die Dekrete bezeichnete er als "Versuch, unser Land strukturell zu verbessern". Es gehe darum, "Technologie und Kapital anzuziehen, um Ressourcen zu entwickeln".

Premierminister Jorge del Castillo verbreitete Verschwörungstheorien. Im Urwald gebe es ein Netzwerk von NGOs, die den Leuten einreden, dass man ihnen ihr Land entreißen wolle, verkündete Garcías Kabinettschef. "Sie täuschen die Leute, manipulieren sie und stiften sie zu gewalttätigen Aktionen an." Nachdem sich im Parlament das Blatt gewendet hatte, plädierte er für einen Kompromiss: "Es geht doch darum, den peruanischen Urwald in die Modernität zu führen und reale Bedingungen für reale Investitionen zu schaffen", sagte er beschwörend.

Bereits 2007 wurden 63 Explorations- und 19 Förderverträge unterschrieben. Die Regierung wolle Wälder und Flussufer in Amazonien privatisieren, um sie ausländischen Konzernen zur Verfügung zu stellen, sind Pizango und andere Sprecher der Indígenas überzeugt. Bereits jetzt seien über 70 Prozent des Gebietes, das fast doppelt so groß ist wie Deutschland, in Konzessionsblöcke für Öl und Erdgas aufgeteilt, heißt es in einem Dokument des Dachverbandes Aidesep. Diese Areale überlappten sich mit Indianer- und Naturschutzgebieten. Ähnlich sehe es bei den Minenkonzessionen aus. Dabei seien schon jetzt durch die Erdölförderung die Lebensgrundlagen vieler Gemeinschaften im peruanischen Amazonasgebiet zerstört, erklärte Inse Geismar von der Gesellschaft für bedrohte Völker in Göttingen.

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