Ein Jahr nach dem Zyklon: Birma will 700 Millionen Dollar

Seit der Wirbelsturm Nargis über das Land zog, ist viel Hilfe in die betroffenen Regionen geflossen. Doch noch immer sind 250.000 Menschen ohne Trinkwasser.

Die Häuser stehen wieder, aber die Lage ist weiter prekär. Bild: ap

BANGKOK taz | Für den weiteren Wiederaufbau nach dem verheerenden Zyklon vor genau einem Jahr benötigt Birma in den kommenden drei Jahren 691 Millionen US-Dollar. Das erklärten kürzlich Vertreter der UNO und der südostasiatischen Staatengemeinschaft Asean in Thailands Hauptstadt Bangkok. Diese Summe soll zusätzlich zu den Mitteln aufgebracht werden, die ein Spendenaufruf vom Frühsommer 2008 einbrachte. "Angesichts des Ausmaßes der Katastrophe ist das eine sehr moderate Anfrage", sagte der für Birma zuständige UN-Koordinator Bishow Parajuli. Die internationale Spendenbereitschaft ist nach Aussagen von Beobachtern aber eher verhalten: Seit dem ersten Aufruf gingen erst 315 Millionen der ursprünglich 455 Millionen Dollar veranschlagten Soforthilfe ein.

Ein Jahr nach der Katastrophe konzentrieren sich viele ausländische Organisationen auf Hilfe zur Selbsthilfe: Auf Programme zur Ernährungssicherung und Katastrophenvorsorge, Fortbildungen für Fischer und Reisbauern sowie auf den Bau sozialer Institutionen. Längst sind nicht alle Probleme gelöst: Zum Beispiel seien noch immer 250.000 Menschen ohne sauberes Trinkwasser, sagt Peter Rottach von der "Diakonie Katastrophenhilfe".

Am 2. und 3. Mai vergangenen Jahres war der verheerende Wirbelsturm "Nargis" über das südostasiatische Land hinweggefegt. Mehr als 138.000 Menschen starben, rund 2,4 Millionen verloren Haus und Besitz. Besonders betroffen waren die frühere Hauptstadt Rangun sowie das südwestlich davon gelegene Irrawaddy-Delta. Für die Zyklonopfer wurden die folgenden drei Wochen zur doppelten Katastrophe: Denn Birmas Militärregierung weigerte sich zunächst, umfassende ausländische Hilfe ins Land zu lassen.

Die Hauptlast trugen in der ersten Zeit einheimische Katastrophenhelfer und im Land bereits ansässige Organisationen. "Wir waren in der glücklichen Lage, dass wir Helfer, Essen und Medikamente ohnehin vor Ort hatten und erste Lieferungen bereits am Tag zwei der Katastrophe ins Delta bringen konnten", so Frank Smithius von Ärzte ohne Grenzen. In den Medien sei bisweilen der Eindruck erweckt worden, nichts sei möglich gewesen. "Das stimmt so nicht", sagt Smithius. "Es war leider wahr, dass die internationalen Mitarbeiter erst nicht ins Delta durften, aber unsere einheimischen Helfer konnten sich dort frei bewegen."

Als Durchbruch gilt die internationale Geberkonferenz Ende Mai 2008 in Rangun. Dort wurde die Etablierung der "Tripartite Core Group" (TCG) beschlossen, eine aus Vertretern der UNO, der südostasiatischen Staatengemeinschaft Asean und der birmesischen Militärjunta bestehende Gruppe. Sie koordinierte fortan die ausländische Hilfe. Die TCG, so Mark Canning, britischer Botschafter in Birma, habe die Katastrophenhilfe wesentlich erleichtert - nach Wochen inadäquater Reaktionen seitens des Regimes. Anfangs sei alles sehr schwierig gewesen, räumte auch Asean-Generalsekretär Surin Pitsuwan ein. "Doch dann waren wir durch die TCG in der Lage, vermehrt Unterstützung der internationalen Gemeinschaft ins Land zu holen."

Was die TCG-Repräsentanten bis heute aussparen: Die Erwähnung der schwerer Menschenrechtsverletzungen der Junta. Statt den Zyklonopfern sofort zu helfen, drückten die Militärs erst ihr umstrittenes Verfassungsreferendum durch. Das soll Grundlage für Wahlen 2010, die als Versuch der Junta gelten, ihre Macht auch weiterhin zu zementieren. Regimekritiker wie der populäre Komiker Zarganar, der Opfern in Eigeninitiative half und die Versäumnisse der Junta öffentlich anprangerte, wurden zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Helfer und Aktivisten berichteten zudem, dass Hilfslieferungen behindert oder von den Autoritäten beschlagnahmt worden seien.

Dies alles dokumentiert der kürzlich von der im thailändischen Grenzgebiet ansässigen Organisation "Emergency Assistance Team" (EAT) sowie der "John Hopkins Bloomberg School of Public Health" veröffentlichte Bericht "Nach dem Sturm - Stimmen aus dem Delta". Zusammengenommen seien diese Missstände ein "Verbrechen gegen die Menschlichkeit", so die Autoren. Zwischen Juni und November 2008 hatten sie neunzig Helfer und Zyklonopfer befragt. Die EAT-Vorsitzende Cynthia Maung, eine Ärztin aus Birma, appellierte an die internationale Gemeinschaft, die politische Realität im Delta näher unter die Lupe zu nehmen, ehe weitere Hilfen fließen.

Klar ist: Auch nach der Katastrophe sitzt Birmas Junta fest im Sattel. Eine politische Aussöhnung, wie sie der Tsunami von Ende 2004 in der indonesischen Unruheprovinz Aceh bewirkte, ist in Birma nicht in Sicht. "Die Fakten sind wenig ermutigend", sagt Botschafter Canning. So hat sich die Zahl politischer Gefangener seit den von Mönchen geführten Massenprotesten im September 2007 auf mehr als 2.100 fast verdoppelt.

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