Nach der Gewalt in Ürümqi: Der Sturm bleibt

Chinas Behörden suchen 14 Uiguren und einen Han-Chinesen, die an der Gewalt in Ürümqi beteiligt gewesen sein sollen. Die Medien zeichnen ein Bild der Harmonie.

Zwischen Ordnungskräften und Uiguren herrscht nur scheinbar Harmonie. Bild: dpa

PEKING taz | Bewaffnete Polizisten patrouillieren drei Wochen nach den schweren ethnischen Unruhen weiterhin durch die Straßen von Ürümqi. In der Hauptstadt der westchinesischen Provinz Xinjiang bleibt die Lage angespannt.

Die Polizei veröffentlichte am Donnerstag Steckbriefe mit den Fotos von 15 Personen. Wer sich freiwillig stelle, leiste "einen großen Beitrag" zu den Ermittlungen, hieß es, und könne auf Milde hoffen. Wer sich hingegen weigere aufzugeben, "wird nach dem Gesetz streng bestraft".

Vierzehn der gesuchten Männer sind Uiguren, einer ist Han-Chinese. Ihnen wird vorgeworfen, an den Mordtaten vom 5. Juli und danach beteiligt gewesen zu sein. Damals starben etwa 200 Menschen, als Uiguren in mehreren Stadtteilen Han-Chinesen mit Messern, Knüppeln und Eisenstangen angriffen. Danach kam es zu Racheaktionen von Han-Chinesen. In Ürümqi sind seither bei Razzien zahlreiche Menschen festgenommen worden. Die Zahl ist aber umstritten.

Die Vorsitzende des Uigurischen Weltkongresses, Rebiya Kadeer, beschuldigte die Behörden in Xinjiang am Mittwoch, sie hätten in einer einzigen Nacht "fast zehntausend Uiguren" verschwinden lassen. Belege lieferte sie nicht. Eine Regierungssprecherin wies Kadeers Vorwurf zurück. Er entbehre "jeder Grundlage" und sei es "nicht wert, dass man darauf reagiert". Die Regierung beschuldigt Kadeer, die seit 2005 im US-Exil lebt, die Angriffe auf Han-Chinesen organisiert zu haben, um China zu spalten und zu destabilisieren.

Chinas Medien selbst sprechen von "über tausend" Festgenommenen. In den vergangenen Tagen seien weitere 253 "Angehörige verschiedener ethnischer Gruppen" verhaftet worden. Unklar ist, wie viele Personen zwischenzeitig wieder freikamen. Offen ist auch, wann die ersten Prozesse stattfinden werden.

Das englischsprachige KP-Organ China Daily versuchte gestern den Vorwurf zu untermauern, in Xinjiang seien terroristische Gruppen am Werk. Sie nannte die "Izbot Taxkilati", die durch einen "Heiligen Krieg" einen islamischen Staat schaffen wolle. Die Organisation habe seit 1999 Xinjiang "infiltriert". Ihre Chinazentrale sei in Ürümqi und konzentriere sich darauf, uigurische Frauen zu gewinnen.

Die Medien des Landes versuchen derweil, ein Bild der Harmonie zwischen den Völkern zu zeichnen. Kritische Stimmen, die wirtschaftliche Konkurrenz und die große Zuwanderung von Han-Chinesen in uigurische Gebiete als Ursachen für den Konflikt nennen, finden kein Gehör.

Die Tragödie hat derweil außenpolitische Folgen: Der japanische Botschafter wurde ins Pekinger Außenministerium bestellt, weil Tokio Kadeer in dieser Woche die Einreise erlaubt hatte. Zuvor hatte Peking in Australien protestiert, da beim Filmfestival von Melbourne ein Dokumentarfilm über sie gezeigt wurde. Kadeer hatte in ihrer Heimat einst wegen Verrats von "Staatsgeheimnissen" fast sechs Jahre im Gefängnis gesessen. Wie groß ihr Einfluss in Xinjiang heute ist, bleibt fraglich.

Niemand weiß bislang, wie groß die wirtschaftlichen Kosten der Unruhen sind. Das Internet, das Mobiltelefonnetz und sogar SMS-Kurzmeldungen sind seit über drei Wochen gesperrt oder nur eingeschränkt nutzbar. Diese drastischen Maßnahmen seien nötig, damit sich die Unruhen nicht ausbreiten können, erklärte die Regierung.

Inzwischen bekommen die Besitzer von Mobiltelefonen täglich SMS-Kurznachrichten der Behörden mit aktuellen Informationen, dem Wetterbericht und der Aufforderung, Gerüchte zu ignorieren. Für einige Behörden, Hochschulen, Banken und Online-Unternehmen ist das Internet wieder nutzbar.

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