Liu Xiaobo vor Gericht: Ein kurzer Prozess in Peking

Der bekannte Dissident und Universitätsdozent Liu Xiaobo stand in dieser Woche vor Gericht – wegen "Untergrabung der Staatsgewalt". Ein mildes Urteil erwartet niemand.

Vor dem Gerichtsgebäude gehen chinesische Sicherheitsbeamte gegen Unterstützer von Liu Xiaobo vor. Bild: reuters

PEKING taz | Ein kalter Morgen in der Nähe des Heldenfriedhofs im Westen Pekings: Vor dem Mittleren Gericht Nr. 1 ziehen Dutzende Polizisten auf. Sie sperren den Bürgersteig ab. 14 Diplomaten warten fröstelnd vor dem Eingang des Gebäudes, ein paar Meter weiter haben internationale Fernsehteams ihre Kameras aufgebaut. Alle sind gekommen, um den Prozess gegen einen der bekanntesten Dissidenten Chinas, Liu Xiaobo, zu beobachten.

"Untergrabung der Staatsgewalt" wird dem 54-jährigen Literatur- und Philosophiedozenten vorgeworfen, der sich als Autor kritischer politischer Schriften einen Namen gemacht hat. Am 8. Dezember 2008 war Liu von Polizisten aus seiner Wohnung verschleppt worden. Zunächst wurde er ein halbes Jahr lang an unbekanntem Ort bei Peking in einem Raum ohne Fenster festgehalten. Im Sommer 2009 verhaftete ihn die Polizei offiziell.

Die Staatsanwälte begründen ihre Anklage gegen Liu mit sechs seiner im Internet erschienenen Artikel und mit seiner Mitautorschaft an einem politischen Dokument: "Charta 08". 303 Menschen haben es ursprünglich unterzeichnet, mittlerweile sollen es 10.000 Unterzeichner sein. Das Dokument fordert universell gültige Menschenrechte, Meinungs- und Religionsfreiheit, unabhängige Gerichte und das Recht, zwischen mehreren Parteien zu wählen. Der Aufruf verbreitete sich, obwohl ihn die Zensoren sofort aus dem Internet zu löschen versuchten.

Bis zu 15 Jahre Haft drohen Liu, sollte er für schuldig befunden werden. Es wäre nicht das erste Mal, dass er für seine Freiheitssehnsucht bestraft wird: Seit 1989 saß er wiederholt im Gefängnis und unter Hausarrest.

Versuche von Freunden des Angeklagten, ausländischen Journalisten und Diplomaten, zu den Verhandlungen an diesem Tag zugelassen zu werden, scheitern. Nur wenige, darunter der Bruder Lius, dürfen den Prozess beobachten. Lius Ehefrau Liu Xia ist nicht dabei: Polizisten halten sie zu Hause fest.

Die Einschüchterung funktioniert, aber nicht total: Trotz der vielen Uniformierten und Geheimdienstler wächst am Vormittag das Grüppchen von Freunden und Sympathisanten. Charta-08-Unterzeichner drängen sich durch die Absperrung , um ihre "Solidarität mit Liu Xiaobo" zu bekunden, wie sie sagen. Gekommen ist auch einer der mutigsten Juristen Chinas, Teng Biao, der seine Lizenz als Rechtsanwalt verloren hat, weil er sich für politisch Verfolgte, Petenten und angeblich aufrührerische Tibeter eingesetzt hat. Eine Gruppe junger Internetaktivisten schickt ihre Beobachtungen per Twitter in die Welt. Einer hält einen Zettel mit der Aufschrift "Befreit Bo" - Kurzname für Liu Xiaobo - hoch. Sie alle beweisen Mut, denn die Polizisten fotografieren jeden Umstehenden.

Gegen 12.30 Uhr beginnen die Polizisten, die Absperrungen abzuräumen. Das Gericht macht kurzen Prozess mit Liu. Der hat, teilen seine Anwälte später mit, seine Unschuld beteuert. Das Urteil werde für Freitag erwartet, heißt es. Niemand wagt zu hoffen, dass es milde ausfallen wird.

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