Grundsatzurteil: Sieg für Indiens Homosexuelle

Als "unnatürliche Liebe" bezeichnet, war Homosexualität in Indien bis heute verboten. Das Gesetz aus der Kolonialzeit ist nun nichtig. Religiöse Gruppen kritisieren das Urteil.

Endlich Lieben ohne Strafandrohung: Homosexuelle in Indien. Bild: dpa

DELHI taz | Homosexualität ist in Indien, zumindest vorerst, kein Verbrechen mehr: Das Oberste Gericht in Delhi erklärte am Donnerstag ein 150 Jahre altes Gesetz aus der Kolonialzeit für verfassungswidrig, unter dem Homosexuelle mit bis zu zehn Jahren Gefängnis bestraft werden konnten. "Wir erklären den Paragrafen 377 des indischen Strafgesetzes für nicht verfassungsgemäß, da er einvernehmliche, im Privaten durchgeführte Handlungen kriminalisiert", erklärte der Vorsitzende Richter A. P. Shah. Ein Teil des Gesetzes werde jedoch erhalten bleiben, sofern es Sexulverbrechen betrifft.

Menschenrechtsgruppen fordern seit Jahren, das diskriminierende Gesetz aufzuheben. Entsprechend zeigten sie sich erfreut. Anjali Gopalan von der Naz Foundation, die den Antrag gegen den diskriminierenden Paragrafen eingebracht hatte, sagte: "Wir haben acht Jahre lang für diese Entscheidung gekämpft. Homosexuelle sind ein Teil dieser Demokratie." Hundert Aktivistinnen und Aktivisten feierten das Urteil vor dem Gerichtsgebäude.

Am vergangenen Sonntag nahmen tausende Menschen an einer Gay-Pride-Parade in Delhi teil. Sie setzten damit ein Zeichen in einem konservativen Land, in dem Homosexualität bis heute weitgehend tabusiert oder als Krankheit gesehen wird. Das zeigt sich sogar innerhalb der Regierung: Während der sieben Monate dauernden Anhörung hatte das Gesundheitsministerium gefordert, das Gesetz außer Kraft zu setzen. Es habe durch die Kriminalisierung von Homosexualität HIV-Vorsorgemaßnahmen verhindert. Jedoch forderte das Innenministerium den Erhalt des Gesetzes. Es bewahre die "öffentliche Gesundheit" und die "Moral" Indiens.

Es dauerte auch nicht lange, bis sich Indiens religiöse Scharfmacher, die sich sonst gegenseitig bekämpfen, in ungewohnter Einigkeit zu Wort meldeten. "Diese westliche Kultur kann nicht in unserem Land gestattet werden", sagte etwa Maulana Khalid Rashid Farangi Mahali, ein führender muslimischer Kleriker im nordindischen Ucknow.

Die Vereinten Nationen bezeichneten das Gerichtsurteil als "Meilenstein". "Das ist ein wichtiger internationaler Präzedenzfall", sagte Susan Timberlake, die der Menschenrechsgruppe der UN-Organisation UNAIDS vorsteht. Die Entscheidung könne ein Beispiel setzen für rund 80 Staaten, in denen Homosexualität bis heute verboten ist. Auch Menschenrechtsgruppen im benachbarten Nepal begrüßten die Entscheidung. Sie sei eine "Befreiung von britischen Kolonialismus", sagte Sunil Babu Pant, Nepals erster bekennender schwuler Parlamentsabgeordneter.

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