Scharia in Region Pakistans eingeführt: Kapitulation vor Taliban befürchtet

Der US-Sondergesandte Holbrooke ist besorgt über die Einführung der Scharia im Swat-Tal - ausgehandelt von Regierung und Extremisten. Unklar ist, ob sich die Taliban darauf einlassen.

Scharia im Swat-Tal: Diese militanten Islamisten freuen sich darüber. Bild: dpa

Die USA sind "besorgt" über Pakistans Pläne, in einem Teil seines unruhigen Nordwestens die Scharia einzuführen. Das Abkommen hatte Anfang der Woche Sufi Mohammad, ein islamischer Geistlicher, mit der Regierung der Nordwestgrenzprovinz in die Wege geleitet. Im Gegenzug sollen militante Islamisten im Swat-Tal, wo das Abkommen gelten soll, die Waffen niederlegen. Der US-Sondergesandte Richard Holbrooke sagte nach seiner Rückkehr aus der Region am Freitag in Washington, er finde es "schwierig, dieses Abkommen zu verstehen". In einem Telefonat mit Pakistans Präsidenten Asif Ali Zardari habe er seine Sorge geäußert, die auch US-Außenministerin Hillary Clinton und Präsident Barack Obama teilten. Laut Holbrooke könne es eine "Kapitulation" vor den Taliban darstellen.

Derzeit berät Sufi Mohammad mit dem lokalen Islamistenführer Maulana Fazlullah an einem geheimen Ort über die Annahme des Abkommens. Dieser hege jedoch Vorbehalte, erklärte ein Sprecher Sufi Mohammads. Fazlullah versucht seit Jahren in der Region ein Regime nach dem Vorbild der afghanischen Taliban einzuführen. Seine Kämpfer stammen vorwiegend aus dem Ausland oder aus anderen Teilen von Pakistans Nordwesten. In ihren Gebieten haben die Extremisten Regierungsvertreter, kritische Journalisten und Stammesälteste getötet. Sie zerstörten mehr als 180 Schulen und drohen, alle Mädchen zu töten, die zum Unterricht geschickt werden. Seit fast zwei Jahren liefern sich die pakistanischen Sicherheitskräfte mit Fazlullahs Männern heftige Gefechte.

Die militanten Islamisten haben in der Region kaum Unterstützung. Tausende Menschen haben das Gebiet bereits verlassen. Doch nach dem faktischen Rückzug der Regierung aus dem Swat-Tal dürfte es zu einer Reaktion kommen, wie sie in den vergangenen Jahren immer wieder in Pakistans Nordwesten und in Afghanistan zu beobachten war: Die Menschen dürften sich jetzt Fazlullah anschließen, weil sie außer der Flucht keine andere Wahl haben.

Präsident Zardari rechtfertigte das Abkommen. Zu Holbrooke sagte er, es handele sich dabei um eine vorübergehende Lösung, um die Situation vor Ort zu stabilisieren. "Er hat nicht geleugnet, dass es sich bei denjenigen, die im Augenblick das Swat-Tal kontrollieren, um Mörder, Schurken und Extremisten handelt", sagte Holbrooke.

Derweil protestierten in ganz Pakistan Journalisten gegen die Ermordung ihres Kollegen Musa Khan Khel. Der Reporter von Geo TV war am Montag im Swat-Tal entführt worden, als er über das umstrittene Abkommen berichtet hatte. Später fand man seine von Kugeln durchsiebte Leiche.

Dabei ist weiterhin unklar, ob sich die Islamisten überhaupt auf das Abkommen einlassen. Denn drakonische Urteile, wie sie Fazlullahs Anhänger bereits heute in Selbstjustiz praktizieren, sind nach der Scharia nicht vorgesehen. Geplant ist vielmehr eine Rechtsprechung, wie sie im Swat-Tal bis 1969 herrschte. Bis dahin hatte ein unabhängiger Fürst die Region regiert, basierend auf dem Waali-Rechtssystem. Dabei fällte ein islamischer Rechtsgelehrter Urteile nach lokalen Traditionen, die sich lediglich von der Scharia ableiteten.

Unterdessen setzte sich die Gewalt zwischen Schiiten und Sunniten in einem anderen Teil des Nordwestens fort. In Dera Ismail Khan starben bei einem Anschlag auf einen schiitischen Trauerzug am Freitag mindestens 32 Menschen.

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