Olympische Spiele 2008: Peking richtet Protestzonen ein

Wer fünf Tage vorher Protest anmeldet, Überwachungskameras erträgt und die Gesetze einhält, darf während Olympia demonstrieren. Warum sind Menschenrechtler skeptisch?

Was ist der beste Weg, Protest anzubringen? Das Tragen dieser Menschenrechtsarmbänder mit dem Aufdruck "Sports for Human Rights" hat das IOC verboten Bild: ap

PEKING taz Der Ritan-Park in Peking ist 478 Jahre alt, seit kurzem eintrittsfrei und wunderbar gepflegt. Er hat in seiner Mitte einen großen freien Platz - einst Opferstätte des Kaisers -, auf dem man früher Fußball spielen durfte. Jetzt nicht mehr. Aber dafür darf man dort demonstrieren, sechs Wochen lang, bis Olympia wieder vorbei ist, sagt Pekings Stadtregierung. Das verkündet sie auch lauthals. "Während der Olympischen Spiele wird es Plätze für legale Versammlungen geben", titelt am Donnerstag die Neue Pekinger Zeitung sogar auf Seite eins. Unter den drei genehmigten Plätzen für Demonstrationen sei auch der Ritan-Park.

Demonstrationen in Peking? "Ich kann mich nicht erinnern, dass jemals eine Demonstration von Pekings Polizei genehmigt worden ist", sagt der Menschenrechtsanwalt Mo Shaoping. Er glaubt der neuen Olympia-Regelung nicht. Er sagt, dass auch jetzt noch für jede Demonstration 5 Tage im Voraus ein Antrag gestellt werden muss und dass schon dies eine verfassungswidrige Einschränkung der Demonstrationsfreiheit sei. Außerdem kämen die Leute, die Grund zum Demonstrieren hätten, gar nicht bis nach Peking, sagt Mo, "etwa die tibetischen Separatisten".

Ein Novum ist es trotzdem. Auf Druck des Internationalen Olympischen Komitees kann im Ritan-Park und zwei weiteren Stadtparks jeder, der seinen Protest rechtzeitig anmeldet und eine Erlaubnis der Polizei bekommt, während der Spiele öffentlich für seine Sache eintreten. Vorausgesetzt, sein Anliegen ist "legal". Was bedeutet, dass Demonstrationen für ein freies Tibet wohl nicht genehmigt werden, weil sie in China als illegaler Separatismus gelten. Aber es könnte theoretisch gegen den Drei-Schluchten-Damm demonstriert werden oder gegen Chinas Waffenlieferungen an den Sudan. Das hat es in China noch nie gegeben. Die Behörden hätten dann unter dem wachsamen Auge der internationalen Öffentlichkeit Schwierigkeiten, diese Aktionen abzulehnen.

"Vielleicht werden Demonstrationen von Ausländern genehmigt. Wir müssen nicht darauf achten, was die Regierung vorher verkündet, sondern darauf, was sie im Einzelfall zulässt", kommentiert He Weifang, Rechtsprofessor der Peking-Universität. Die US-Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch sagt voraus, dass niemand Proteste anmelden wird - aus Furcht, vor die Videokameras der Polizei zu geraten und hinterher verfolgt zu werden. Sie kritisiert zudem den allgemeinen Trend, bei Großereignissen wie Olympia oder G-8-Gipfeln die Demonstranten in sogenannte Protestzonen zu verbannen. Tatsächlich ist das Pekinger Arrangement nicht neu: Auch bei den Olympischen Spielen vor vier Jahren in Athen hatte es gesonderte Zonen für Demonstranten gegeben.

Immerhin ist der malerische Ritan-Park so ausgewählt, dass jeder Protest dort ein TV-gerechter Augenschmaus wäre. Vielleicht könnten sich die Pekinger daran gewöhnen, in den roten Park-Pavillons statt der Peking-Oper-Gesänge Sprechchöre zu hören. Vielleicht auch nicht.

GEORG BLUME

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