Unerwarteter Kurswechsel: Peking spricht mit Dalai Lama

Die chinesische Regierung kündigt baldige Gespräche mit dem Dalai Lama an. Doch offenbar ist dieser unerwartete Kurswechsel auch innerhalb der chinesischen Führung umstritten.

Peking reagiert endlich auf die Gesprächsanfragen des Dalai Lama: "Die Regierung handelt unter Druck von außen". Bild: dpa

PEKING taz Auf einen "Kampf auf Leben und Tod mit der Dalai-Lama-Clique" hatte die Provinzregierung der Autonomen Region Tibet zuletzt ihre Bürger eingeschworen. Doch nun gibt es neue Order aus Peking. Schon in den nächsten Tagen werden Beamte des Pekinger Einheitsministeriums Vertreter des Dalai Lama treffen, teilte die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua am Freitag mit.

Das Treffen werde auf mehrfache Anfrage des Dalai Lama mit dessen privaten Gesandten abgehalten, sagten Regierungsbeamte laut Xinhua. Sie betonten, dass die Tür zum Dialog immer offen gewesen sei. Peking verbinde mit den Gesprächen die Hoffnung, dass "die Dalai-Seite glaubwürdige Anstrengungen unternehme, um Aktivitäten zur Spaltung des Landes zu stoppen, Gewalt zu unterbinden und Sabotageaktionen gegen die Olympischen Spiele zu beenden".

Zuletzt hatten Vertreter Pekings und der in den USA lebende Sonderbeauftragte des Dalai Lama, Luodi Jiari, im Juli 2007 miteinander gesprochen. Doch diese wie auch fünf vorangegangene Gesprächsrunden seit 2002 verliefen erfolglos. Nach Darstellung Pekings hatte sich der Dalai Lama stets geweigert, als Voraussetzung für Verhandlungen die "unzertrennliche Einheit Chinas mit Tibet und Taiwan" anzuerkennen. Die exiltibetische Seite beklagte dagegen, Peking sei nie ernsthaft interessiert gewesen, über konkrete Autonomiefragen zu verhandeln.

Shen Jiru, außenpolitischer Experte der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften, des führenden Thinktanks der Regierung, bewertete das Dialogangebot der Regierung kritisch. Es sei ein Versuch "den Dalai Lama zu retten und demjenigen, der Verbrechen begangen hat, noch eine Chance zu geben", sagte Shen der taz. Er spielte damit auf die von Peking unterstellte Verantwortung des Dalai Lama für die Opfer der Märzunruhen in Lhasa an. Seine Reaktion spricht dafür, dass der Dialog mit dem Dalai Lama in Pekinger Regierungskreisen nicht Konsens ist und auf einen unerwarteten Kurswechsel der KP-Führung zurückgeht.

Überrascht zeigte sich der regierungskritische Pekinger Tibetexperte Wang Lixiong: "Die Regierung handelt unter Druck von außen", sagte Wang. "Sie kann ihr Gesicht nur wahren, wenn der Dalai Lama zu Ruhe aufruft und es dann wirklich keine Störungen mehr gibt." In diesem Sinne spekulierte auch Ma Lihua, Leiterin des Chinesischen Verlags für Tibet-Forschung: "Vielleicht hat der Dalai Lama störungsfreie Olympische Spiele versprochen." Ma gab den Verhandlungen kaum Erfolgschancen: Es scheine, als würde der Dalai Lama Peking den Dialog aufzwingen. Doch hätten zuletzt viele Chinesen ihre positive Haltung zu Tibet geändert. Umso schwerer wäre es deshalb für Peking, Kompromisse zu machen.

Weltweit wurde die Offerte Pekings dagegen begrüßt. Ein Sprecher des Dalai Lama in Neu-Delhi bezeichnete sie als "Schritt in die richtige Richtung", da nur direkte Gespräche Fortschritte erzielen könnten. Westliche Regierungen reagierten ebenfalls positiv. Auffallend war, dass Peking seine Dialogankündigung zum Pekingbesuch von EU-Kommissionspräsident José Manual Barroso bekannt gab. Der hatte gestern nach Gesprächen mit Ministerpräsident Wen Jiabao als Erster "positive Entwicklungen" in der Tibetfrage angekündigt.

Peking scheute sich also nicht, seine Entscheidung als Entgegenkommen gegenüber dem Westen erscheinen zu lassen. Brüssel und Washington hatten in den letzten Wochen Peking mehrfach aufgefordert, die Gespräche mit dem Dalai Lama wiederaufzunehmen.

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