Pakistans Atomarsenal: Premier Gillani übernimmt Kontrolle

Innenpolitisch unter Druck, übertägt Präsident Zardari die Verfügungsgewalt über Pakistans Nukleararsenal an Premier Gillani, einen erklärten Gegner der US-Strategie.

Die Obama-Regierung müsse ihre Afghanistan-Strategie "in Absprache mit Pakistan" festlegen, sagte Premier Gillani am Wochenende. Bild: dpa

DELHI taz | Pakistans Atomwaffen stehen zukünftig nicht mehr unter der Kontrolle des Präsidenten, sondern unter der des Premierministers. Präsident Asif Ali Zardari erklärte am Samstag, er übertrage die Entscheidungsgewalt über das Nukleararsenal an Regierungschef Yusuf Raza Gillani. Dies sei "ein großer Schritt", um den Einfluss des Premierministers und des Parlaments zu erhöhen, sagte ein Sprecher Zardaris.

Pakistans Präsident kämpft um sein politisches Überleben: Er ist in seinem Land extrem unbeliebt und gilt als Marionette der USA. Mehrmals konnte er sich in der Vergangenheit selbst bei kleineren Auseinandersetzungen nicht gegen die Armeeführung durchsetzen. Sein Einfluss galt daher ohnehin als sehr begrenzt.

Doch nun fordert die Opposition offen Zardaris Rücktritt. Der Grund: Ein Gericht hat eine Amnestie aufgehoben, gewährt 2007 vom ehemaligen Militärdiktator Pervez Musharraf, die Zardari und etlichen anderen Politikern Straffreiheit zugesichert hatte. Dadurch und durch die Übernahme des Atomarsenals doppelt gestärkt, wandte sich nun Premier Gillani mit einer deutlichen Botschaft an die USA: Eine Erhöhung der US-Truppenzahl in Afghanistan, wie sie US-Präsident Obama voraussichtlich am Dienstag verkünden wird, würde die Lage in Pakistan verschlechtern, sagte der pakistanische Regierungschef am Wochenende. Denn dadurch würden noch mehr Militante nach Pakistan gespült. Die Obama-Regierung müsse vielmehr ihre Afghanistan-Strategie "in Absprache mit Pakistan" festlegen.

Um Pakistans Atomarsenal und die Rolle der USA hatte es in letzter Zeit reichlich Wirbel in Pakistan gegeben. Ein US-Magazin hatte vor einigen Wochen berichtet, die USA und Pakistan führten Gespräche darüber, dass US-Sondereinheiten im "Krisenfall" die pakistanischen Atomwaffen sichern sollten. Pakistans Regierung wies den Bericht empört zurück, Washington dementierte ebenfalls: Pakistan sei ein "Schlüsselalliierter" im Bestreben der USA, "gewalttätigen Extremismus" zu bekämpfen und Stabilität in der Region herbeizuführen.

Dennoch hatte diese kurze Episode eine hitzige Diskussion über die Rolle der USA in Pakistan entfacht. Die Opposition, die den religiösen Parteien des Landes nahesteht, warf der Regierung und Präsident Zardari vor, die Interessen des Landes an Washington zu verkaufen. Auch im Westen wurde anschließend erneut darüber diskutiert, wie sicher Pakistans Atomwaffen wirklich sind.

Analysten in Pakistan winken jedoch ab. "4.000, 5.000, selbst 15.000 Taliban mit Kalaschnikows können nicht eine Armee schlagen, die derzeit die sechstgrößte der Welt ist", sagt Farrukh Saleem vom Center for Research and Security Studies in Pakistans Hauptstadt Islamabad. Die Taliban seien halbungebildete Koranschüler, die gar nicht in der Lage seien, Atomwaffen einsatzbereit zu machen.

"Es kommt mir so vor, als hätten Teile der westlichen Medien Propaganda aus Regierungskreisen aufgegriffen und so dargelegt, als wären es Nachrichten", sagt Saleem. "Ich sehe nicht, dass die Taliban je in der Lage sein werden, unser nukleares Arsenal in Besitz zu nehmen. Diese Gefahren werden in der westlichen Presse aufgebauscht."

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