Streit um Überhangmandate: Grüne probieren rote Revolte

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast versucht, die Sozialdemokraten zu überreden, mit ihr die Überhangmandate abzuschaffen - gegen den Willen der Union.

Wieviel Überhangmandate dürfens bitte sein? Handwerker montiert neue Stühle im Bundestag. Bild: dpa

Die Grünen wollen die SPD doch noch dazu bringen, gemeinsam die meisten Überhangmandate abzuschaffen. Bundestagsfraktionschefin Renate Künast forderte die Sozialdemokraten am Montag in Berlin auf, dem grünen Antrag zur Wahlrechtsreform am Freitag im Bundestag doch zuzustimmen. Die SPD dürfe ihren Koalitionsvertrag mit der Union nicht über die Verfassung stellen.

Zuvor hatte die Führung um Parteichef Franz Müntefering laut der Nachrichtenagentur dpa versprochen, im Streit um eine Änderung des Wahlrechts keinen Bruch des Koalitionsvertrags mit der Union zu riskieren. Die Sozialdemokraten seien "selbstverständlich vertrags- und koalitionstreu", gab die Agentur Statements aus der Parteispitze wieder. Auch Generalsekretär Hubertus Heil versicherte am Montag, die SPD sei vertragstreu und werde deshalb am Freitag im Bundestag dem Gesetzesantrag der Grünen nicht zustimmen.

Bereits im Februar haben die Grünen einen Gesetzesantrag im Bundestag eingebracht, laut dem die Überhangmandate weitgehend abgeschafft werden sollen. Grund: Vom bisherigen System profitieren vor allem große Parteien - sie haben die größte Chance Direktmandate und damit auch Überhangmandate zu erringen. Im Normalfall hat der Bundestag 598 Abgeordnete - jeweils die Hälfte wird durch Direktmandate und durch Abgeordnete, die auf einer Liste stehen, besetzt. Wählen die Bürger aber mehr Abgeordnete einer direkt, als der betreffenden Partei im jeweiligen Bundesland nach dem Zweitstimmenanteil zustehen, entstehen Überhangmandate.

In diesem Jahr würden nach Meinung von Experten vor allem die Union und die FDP profitieren. Deshalb verlangt auch das Bundesverfassungsgericht eien Änderung des Wahlrechts - bis zum Juli 2011 (siehe Text links). Die SPD würde gerne noch vor der Bundestagswahl reformieren, die Union will sich aus naheliegenden Gründen Zeit lassen.

In ihrem Koalitionsvertrag haben SPD und Union eigentlich festgelegt, dass sie in strittigen Fragen nicht mit der Opposition stimmen werden. Für die Spekulation, dass die Sozialdemokraten den Vertrag brechen könnten, hatte ihr Parlamentarischer Geschäftsführer Thomas Oppermann gesorgt. Er sagte der Frankfurter Rundschau, seine Partei könne sich vorstellen am Freitag doch den Vorschlag der Grünen mit zu beschließen.

Künast versuchte am Montag an dieser Stelle einen Hebel anzusetzen, um zumindest einige Abgeordnete der SPD eventuell doch noch aus der rot-schwarzen Allianz herauszubrechen: "Ich gehe davon aus, dass die SPD zustimmen muss", sagte sie. Wie bei anderen Gewissensentscheidungen solle bei der Abstimmung über das Abschaffen der Überhangmandate zudem der Fraktionszwang aufgehoben werden, forderte die Politikerin.

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