Linken-Liste für die Europawahl: Brie soll aus EU-Parlament fliegen

Gerangel bei der Linken: Die Realos ärgern sich, da sie nicht oder nur hinten auf der Liste für die Europawahl stehen.

Von der Entscheidung "nicht überrascht": André Brie. Bild: archiv

BERLIN taz Nein, sagt André Brie, "überrascht bin ich nicht". Die Parteispitze der Linkspartei hat ihn und die Realo-EU-Parlamentarierin Sylvia-Yvonne Kaufmann nicht mehr für die Europawahlliste nominiert. Das ist, so wertet es ein Linkspartei-Realo, ein Affront gegen Brie und Kaufmann. Beide sind über die Partei hinaus bekannt und gelten als sachkundig. Manche halten Brie für einen der klügsten Köpfe in der Linkspartei. Doch beide sind parteiintern umstritten: Kaufmann ist eine der wenigen in der Partei, die den Lissaboner EU-Vertrag unterstützen, der in der Linkspartei den meisten als neoliberales Teufelszeug gilt. Brie wird vorgehalten, lieber über als mit der Partei zu diskutieren.

Bemerkenswert ist die Liste, die der geschäftsführende Vorstand beschlossen hat, aus zwei weiteren Gründen. So soll aus der jetzigen siebenköpfigen Fraktion nur Gabi Zimmer auch nach der Europawahl im Juni wieder für die Linkspartei im EU-Parlament sitzen - ein radikaler Bruch, bei dem viel Sachverstand auf der Strecke bleiben dürfte. Zudem kritisieren Pragmatiker, dass die Strömungsbalance in der Liste - nachzulesen auf die-linke.de - nicht stimmt. Sabine Lösing, Vertreterin der radikalen "Antikapitalistischen Linken", hat einen sicheren Listenplatz, Dominic Heilig, Vertreter des pragmatischen Forum demokratischer Sozialismus (FdS), wurde auf den ziemlich aussichtslosen Platz 14 verbannt. Die Parteilinke, sagt eine Spitzenpolitikerin der Linkspartei, sei auf der Liste "klar überrepräsentiert". Alarmiert sind die Realos auch, weil ein von den Parteivorsitzenden Lothar Bisky und Oskar Lafontaine vorgestellter Entwurf für das Wahlprogramm kürzlich von Parteilinken gekippt und durch eine EU-kritischere Fassung ersetzt wurde.

Der jetzigen Fraktion gehören derzeit neben Brie und Kaufmann auch Fundis wie Tobias Pflüger und Sahra Wagenknecht an. Die Zusammensetzung der ideologisch gespaltenen Fraktion "war suboptimal", sagte die stellvertretende Parteichefin Halina Wawzyniak zur taz. Dass Zimmer wieder aufgestellt wird, gilt als Anerkennung für ihr Bemühen, die Fraktion zusammenzuhalten. Angeführt wird die neue Liste von Bisky.

Der Personal-Vorschlag der Parteispitze muss am 11. Januar von dem rund hundertköpfigen Bundesausschuss abgesegnet werden. Entscheiden wird schließlich ein Parteitag am 1. März. Bis dahin kann noch viel geschehen. Dass die Liste für die Europawahl den Bundesausschuss und den Parteitag unverändert passiert, gilt als unwahrscheinlich. André Brie ist jedenfalls guten Mutes, EU-Parlamentarier zu bleiben. "Meine Chancen sind nicht schlecht", sagte er der taz. Ein Berliner Realo ist sich da nicht so sicher: "Ich habe keine Ahnung, wie sehr die Parteibasis André Brie noch schätzt."

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