Säkulare Türkin über die Islamkonferenz: "Deutsche Werteordnung ist unklar"

Die Islamkonferenz trifft sich zum dritten Mal in Berlin. Ezhar Cezairli diskutiert mit. Die säkulare Muslimin über die Dominanz der konservativen Muslime.

Auge in Auge mit Schäuble: Ezhar Cezairli (rechter Bildrand) auf der Islamkonferenz 2007. Bild: dpa

taz: Frau Cezairli, der Journalist Walid Nakschbandi legt sein Mandat für die Islam-Konferenz nieder, weil seiner Meinung nach die konservativen islamischen Verbände die Veranstaltung dominieren. Nakschbandi vertritt genau wie Sie die säkularen Muslime. Haben Sie auch schon mal an Rückzug gedacht?

Ezhar Cezairli: Ich habe mich auch schon geärgert, wenn der Koordinierungsrat der Muslime, zu dem sich die konservativen Verbände zusammengeschlossen haben, die Islamkonferenz benutzt, um sich zu profilieren. Dafür will ich mich nicht benutzen lassen. In solchen Situationen frage ich mich auch: Was machst du eigentlich hier? Aber ganz auszusteigen finde ich falsch. Wir können doch nicht diese Verbände allein für die Muslime sprechen lassen.

Nakschbandi argumentiert, die unabhängigen, liberalen Muslime fänden kaum Gehör. Sehen Sie das auch so?

Ja, zeitweise hatte ich auch den Eindruck, dass der KRM mehr Gehör findet als wir. Ich glaube, das liegt daran, dass die KRM eher als das Problem, mit dem man sich beschäftigen muss, angesehen wird.

Geht die deutsche Seite zu vorsichtig mit dem KRM um?

Manchmal fassen sie die wirklich mit Samthandschuhen an. Auch von dieser Seite müsste offener diskutiert werden. Da sagt niemand: Diese Position können wir nicht akzeptieren. Teilweise habe ich das Gefühl, dass wir -- also die säkularen Muslime -- das leisten sollen.

Macht aus Ihrer Sicht die Islamkonferenz noch Sinn?

Ja, weil sie die einmalige Chance ist, auf nationaler Ebene über alle Probleme zu reden und eine gemeinsame Grundlage für das Zusammenleben zu schaffen. Die Konferenz hat auch bereits einiges bewirkt. In der Öffentlichkeit wird jetzt wahrgenommen, dass es in Deutschland ganz unterschiedliche Muslime gibt, auch wenn man sie nicht gleich auf den ersten Blick erkennt.

Am Donnerstag trifft sich das Plenum der Islamkonferenz zum dritten Mal. Was erwarten Sie von dem Treffen?

Die vier Arbeitsgruppen werden ihre Zwischenergebnisse vorstellen und dabei wird es sicher noch Diskussionen geben. In meiner Arbeitsgruppe zum Beispiel, "Deutsche Gesellschaftsordnung und Wertekonsens", haben wir monatelang an einem Papier gearbeitet, das festhält, dass für alle Menschen - unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit und ihrer ethnischen Herkunft - die deutsche Werte- und Rechtsordnung gelten muss. Auf das Grundgesetz konnten wir uns schnell einigen, aber die Festlegung auf die deutsche Werteordnung ist sehr umstritten.

Vor allem der KRM hat Schwierigkeiten mit dem Begriff deutsche Werteordnung. Teilen Sie diese Bedenken?

Anfangs hatte ich kein Problem damit, schließlich passen meine Werte gut hierher. Aber wenn man wirklich darüber nachdenkt, ist es ja völlig unklar, was diese deutsche Werteordnung genau ist. Jeder stellt sich etwas anderes darunter vor. Das ist so ähnlich wie die deutsche Leitkultur - und das löst bei manchen natürlich unangenehme Gedanken aus. Die Festlegung auf das Grundgesetz ist einfach genauer.

Braucht man dafür eine Islamkonferenz? Die Formulierungen, auf die Sie sich geeinigt haben, sind sehr allgemein und die islamischen Verbände haben sich schon x-mal zum Grundgesetz bekannt.

Unsere Diskussion muss jetzt konkreter werden, wir müssen über Dinge wie das Selbstbestimmungsrecht, Gleichberechtigung von Frauen und Mädchen oder koedukativen Schwimmunterricht sprechen. Da müssen die Verbandsvertreter endlich offener sein und sich auf die Debatte wirklich einlassen. Das gilt aber auch für einige andere Teilnehmer. Ich will Spielregeln vereinbaren, die im Alltag für alle verbindlich sind.

Ein Grund für die Islamkonferenz ist auch, dass der deutsche Staat einen Ansprechpartner haben will, mit dem er zum Beispiel über Religionsunterricht verhandeln kann. Deshalb hat sich unter anderem der KRM gegründet. Hilft in dieser Frage die Islamkonferenz?

Den einen Ansprechpartner kann es nicht geben, dafür ist der Islam zu vielfältig. Wir haben eben nicht so eine starre Organisationsform und klare Hierarchie wie die Christen. Der KRM vertritt höchstens 15 oder 20 Prozent der Muslime - und vor allem die Konservativen. Er kann also nicht für alle sprechen. Deshalb muss es ein anders Gremium geben, vielleicht eine verkleinerte Islamkonferenz.

INTERVIEW: SABINE AM ORDE

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