Korrespondenten über ein Jahr Schwarz-Gelb: Die Angst vor Muslimen in Deutschland

Integration ist keine Einbahnstraße. Die Diskussion in Deutschland aber beweist das Gegenteil. Eine Bilanz des "Al-Ahram"-Korrespondenten.

Freitagsgebet von Muslimen in Mannheim. Bild: dpa

Nach einem Jahr schwarz-gelbe Koalition stelle ich fest: Es ist nicht leichter geworden, aus Deutschland für Millionen von ägyptischen und arabischen Lesern zu berichten. Wobei es sich bei den Schwierigkeiten nicht um Themen wie Koalitionsstreit, die Auswirkungen der Finanzkrise auf die Eurozone oder die wachsende Unzufriedenheit der Deutschen mit den Volksparteien handelt. Über diese Themen weiß der Korrespondent mit Ruhe und Erfahrung zu berichten.

ist seit 1994 Korrespondent von Al-Ahram in Berlin, der bekanntesten Tageszeitung im arabischen Raum.

Es handelt sich eher um ein sensibles Thema, das zunehmend in Deutschland diskutiert wird und die Gesellschaft spaltet: die Integration der Muslime. Das Thema beschäftigt die Politik und die Deutschen schon länger. Doch seit dem Mord eines Russlanddeutschen an der ägyptischen Muslimin Marwa El-Sherbini in einem Dresdner Gerichtssaal im Juli 2009 ist ein Schatten über die Integrationsdebatte entstanden.

Muslimische Verbände betrachten die Tat als bisherigen Höhepunkt eines täglichen, zum Teil versteckten Rassismus gegenüber Muslimen. Sie kritisieren zunehmende islamophobe Tendenzen in Deutschland. Für viele Deutsche aber war es nur eine Einzeltat. Man forderte die Muslime sogar auf, sich endlich von Konspirationstheorien zu verabschieden und sich mehr anzustrengen, Teil der Gesellschaft zu werden.

Das Thema Islamophobie wird von der Politik ignoriert, auch bei der neuen Runde der Islam-Konferenz spielt es keine Rolle. Man hat den Eindruck, dass beide Seiten aneinander vorbeireden. Der Forderung an die muslimischen Mitbürger, die deutsche Sprache zu lernen, ihre Kinder zu fördern, keine Islamisten zu unterstützen und sich an die Gesetze zu halten, kann keiner widersprechen. Es entbrannten aber Diskussionen über Kopftücher, Moscheebauten und andere Aspekte des täglichen Lebens der Muslime, die per Gesetz verfassungsgemäß geregelt werden können.

Muslimische Bürger klagen, dass man dauernd Forderungen an sie stellt, ohne ihre Sorgen und Ängste wahrzunehmen. Menschen, die hier geboren oder seit Jahrzehnten leben, sehen sich mit einer Kampagne konfrontiert, die an rassistische Stereotypen des vergangenen Jahrhunderts erinnert. Muslimische Migranten werden so dargestellt, als wären sie nach Deutschland eingewandert, um Sozialleistungen zu beziehen.

Das schürt Ängste auf beiden Seiten. Integration ist keine Einbahnstraße, heißt es so schön. Dass die neue Diskussion in Deutschland aber das Gegenteil beweist, macht die Berichterstattung für ägyptische und arabische Leser, die seit dem Mord von Marwa El-Sherbini die Integrations-Islamophobie-Debatte aufmerksam verfolgen, nicht leicht.

Am Montag erscheinen in der Print-Ausgabe der taz elf Texte von Deutschland-Korrespondenten renommierter Auslandsmedien, die eine Zwischenbilanz über ein Jahr schwarz-gelbe Koalition ziehen.

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