Porträt Musculus-Schäfer: Die Kieler Kurzzeit-Abgeordnete

Die Kieler Landtagsabgeordnete Christina Musculus-Stahnke (FDP) muss wieder gehen. Nach vier Monaten Streit und einer Neuauszählung muss sie einem Linken Platz machen.

Bald wieder mehr Zeit für die Familie: die Anwältin Christina Musculus-Stahnke. Bild: dpa

Kiel dpa | Das ist schon ein harter Brocken, den Christina Musculus-Stahnke verdauen muss: Die 47-Jährige kommt gerade von einem Begrüßungsfrühstück, das Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) in Kiel für die neuen Landtagsabgeordneten der FDP gegeben hat. Für sie war es zugleich ein Abschiedsessen: Musculus-Stahnke muss ihr Mandat wieder abgeben, das sie erst bei der Landtagswahl am 27. September 2009 errungen hat.

Ob sie deshalb eine tragische Figur sei? "Ich fühle mich eigentlich nicht so", sagt die freundliche Kielerin wenige Stunden vor ihrem Abschied aus dem Landeshaus an der Förde.

Vier Monate nach der schleswig-holsteinischen Landtagswahl bestätigte das Parlament am Donnerstagabend eine Korrektur des Wahl-Ergebnisses. Daraus folgt, dass die FDP ihr 15. Mandat an die Linke abgibt, die nun sechs Abgeordnete stellt. Die deutliche Drei-Stimmen-Mehrheit von CDU/FDP geht damit auf einen einzigen Sitz zurück. Schwarz-gelb verfügt über 48 Sitze, die Oppositionsparteien haben zusammen 47.

Ursache ist ein Auszählungsfehler im Wahlkreis Husum 3. Wie eine Nachzählung am vergangenen Freitag ergab, waren für die Linke am 27. September dort 41 Zweitstimmen abgegeben statt nur 9 wie am Wahlabend festgestellt. Anlass zur Nachzählung hatten Unstimmigkeiten und Auffälligkeiten im Vergleich zur parallel durchgeführten Bundestagswahl gegeben.

Christina Musculus-Stahnke fällt der Auszug aus dem Landtag nicht leicht, doch als Rechtsanwältin ist sie daran gewöhnt, die Dinge so zu nehmen wie sie sind. Rechtliche Schritte unternimmt sie nicht, sie sieht dafür auch keine Handhabe. Der Wissenschaftliche Dienst hat ihr immerhin versichert, dass sie keine Diäten zurückzahlen muss. Die Frage nach einer Rückzahlung der Diäten hatte Gregor Gysi, Fraktionsvorsitzender der Linken im Bundestag, aufgeworfen. "Hat unser Abgeordneter, der bisher rechtswidrig an der Wahrnehmung seines Mandats gehindert worden ist, nicht einen Anspruch darauf, die Diäten nachbezahlt zu bekommen", fragte Gysi weiter.

Geschockt war die FDP-Frau schon, als sich bei der Nachzählung in einem Husumer Wahlbezirk ihr parlamentarisches Aus abzeichnete. "Und dann habe ich etwas gesagt, das nicht druckfähig ist." Der Satz ist ein Indiz dafür, wie gern sie weitermachen würde - beim Denkmalschutz, in der Bildung, im Petitionsausschuss. Bis zum erzwungenen Schluss hat sie ihre Arbeit im Landtag gemacht, ein Ausstieg durch die Hintertür war nicht ihr Ding.

Ihre Wahl in den Landtag hatte sie verschlafen. Als sie in der Wahlnacht ins Bett ging, rechnete sie noch mit elf oder zwölf FDP- Abgeordneten - sie wäre dann nicht dabei gewesen. Am frühen Morgen schickte eine Freundin dann eine SMS: "Hallo, du bist drin".

Was so traumhaft begann, geht nun abrupt zu Ende. "Ich hatte schon darauf vertraut, dass in Husum richtig gezählt wurde", sagt Musculus-Stahnke. Ihr Sitz sei sicher, hatte sie immer wieder von anderen gehört. Das Vierteljahr im Landtag brachte ihr eine Menge neuer Erfahrungen. Ein prima Klima in der Fraktion, interessante Arbeit und Kontakte, aber auch starre Verfahren und "Gespräche, Gespräche, Gespräche, Papier, Papier, Papier" haben sie beeindruckt. Dass sie nun gehen muss, tut auch dem Regierungschef leid. "Sie hat sich sehr gefreut und sehr engagiert", sagt Carstensen. Die Korrektur zeige aber auch, dass die Demokratie funktioniere. "Und sie zeigt, dass wir alle ein Amt auf Zeit haben."

Musculus-Stahnke will nun ihre Arbeit als Rechtsanwältin mit Schwerpunkt Familienrecht wieder hochfahren. Mehr Zeit für Mandanten, ihren Mann und den 18 Jahre alten Sohn hat sie auch wieder. Ratsfrau in Kiel ist Musculus-Stahnke auch in ihrer Landtagszeit geblieben. Hier engagiert sie sich weiter, doch den Landtag behält sie im Blick: "Ich denke schon, dass ich mich nicht entmutigen lassen werde, noch einmal einen Anlauf zu machen".

Als Nachfolger von Musculus-Stahnke als Abgeordneter im schleswig-holsteinischen Landtag wurde am Freitag der 25-jährige Linke Björn Thoroe vereidigt. Der Kieler Geschichtsstudent trug einen signalroten Kapuzen-Pullover und will so Farbe in den Landtag bringen und sich bewusst von seinen Parlamentskollegen absetzen. "Ich werde kein Sakko und keinen Anzug tragen, das wäre für mich ein Zeichen der Anpassung."

Im Parlament will sich Thoroe vor allem um Hochschul- und Wirtschaftspolitik kümmern. Zu den anderen Oppositionsparteien SPD, Grüne und auch SSW (Südschleswigscher Wählerverband) sieht er durchaus Anknüpfungspunkte. Thoroe hebt aber die "Alleinstellungsmerkmale" der Linken hervor, zum Beispiel, dass sie als einzige nicht für Ausgabenkürzungen eintreten.

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