Deutsche Sicherheitskräfte in Libyen: Die Vorwürfe weiten sich aus

Deutsche Sicherheitskräfte sollen bei der Ausbildung libyscher Kollegen auch geheime Unterlagen eingesetzt haben. Ministerien verneinen offizielle Zusammenarbeit.

Polizeispezialkräfte während einer Übung in Sankt Augustin. Ihr Know-how sollen mehrere Polizisten in Libyen an Kollegen weitergegeben haben. Bild: ap

DÜSSELDORF/BERLIN dpa Bei eigenmächtigen Schulungen libyscher Sicherheitskräfte sollen deutsche Polizisten geheime Ausbildungsunterlagen aus ihrer Heimat verwendet haben. Auch ein inzwischen vom Dienst suspendierter Hauptfeldwebel der Feldjäger beteiligte sich nach Angaben des Verteidigungsministeriums in seinem Urlaub an den nicht genehmigten Einsätzen. Die Bundeswehr habe im ersten Halbjahr 2006 "von dem Komplex" erfahren und wolle eine Aufklärung "bis zum Ende". Seinerzeit war Libyen wegen Terrorismus-Nähe und Menschenrechtsverletzungen außenpolitisch noch weitgehend isoliert.

Eine militärpolitische Zusammenarbeit mit Libyen gebe es auch derzeit nicht, betonte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums am Freitag in Berlin. Gespräche seien aber künftig nicht ausgeschlossen. Der Sprecher des Innenministeriums betonte, es gebe auch keine Zusammenarbeit auf dem Polizeisektor.

Polizisten sollen bei ihren Aktionen auch geheime Unterlagen der nordrhein-westfälischen Polizei verwendet haben, teilte die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft mit. Ein strafrechtlicher Anfangsverdacht habe sich aber nur gegen einen Polizisten ergeben. Dieser bestreite die Vorwürfe. Gegen die anderen Beamten werde strafrechtlich nicht ermittelt, weil es keine Anhaltspunkte gebe, dass sie geheime Kenntnisse verraten hätten.

Insgesamt mehr als 30 deutsche Polizisten, ein Soldat und Spezialisten mit GSG-9-Hintergrund sollen auf eigene Rechnung Sicherheitskräfte des libyschen Revolutionsführers Muammar al-Gaddafi ausgebildet haben. Amnesty International sprach von einem schlimmen Verdacht. Noch im Amnesty-Jahresbericht 2007 sei nachzulesen, dass libysche Polizisten an einem Tag zwölf Demonstranten erschossen hätten, sagte eine Sprecherin.

Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) bestätigte am Rande des Nato-Gipfels in Bukarest, ein aktiver Soldat habe während seines Urlaubs an einer solchen Aktion teilgenommen. Das sei "nicht akzeptabel". Gegen den Hauptfeldwebel laufe ein Disziplinarverfahren, sagte der Sprecher des Verteidigungsministeriums. Dem Feldjäger werde unter anderem der Verstoß gegen die Pflicht zum treuen Dienst vorgeworfen sowie die Ausübung einer nicht genehmigten Nebentätigkeit.

In Nordrhein-Westfalen stehen nach Angaben von Innenminister Ingo Wolf (FDP) acht Polizisten unter Verdacht. Sie werden nach Angaben des Westfalen-Blatts jetzt im normalen Schutzpolizeidienst eingesetzt. Die Bielefelder Polizei leitete gegen vier Beamte ihres Präsidiums disziplinarrechtliche Verfahren ein.

Ein früherer Beamter der Anti-Terror-Einheit der Bundespolizei GSG 9 soll laut Süddeutscher Zeitung eine private Sicherheitsfirma gegründet und bei mehreren Spezialeinsatzkommandos Polizisten auf Honorarbasis angeheuert haben. Polizisten von Sondereinsatzkommandos (SEK) sollen für ihre Einsätze bis zu 15.000 Euro bekommen haben. Erkenntnisse, nach denen aktive Beamte von Bundespolizei oder der Spezialeinheit GSG 9 teilgenommen haben, liegen nach Angaben des Bundesinnenministeriums nicht vor.

Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) sagte in einem Fernseh-Interview, es gehe nun vor allem um die Frage, ob Dienstgeheimnisse verraten und Strafgesetze verletzt worden seien. Die Polizeigewerkschaften kritisierten die Aktivitäten deutscher Polizisten in Libyen scharf. "Libyen ist ein Schurkenstaat. Da haben deutsche Polizisten nichts verloren", sagte der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt.

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