Interview über Gegendemo zu "Pro Köln": "Eine neue Protestkultur"

Die Organisatoren des Bündnisses gegen "Pro Köln" sind mit ihrer Strategie des Abpfeifens zufrieden. Reiner Schmidt über die Gegendemo und die Angst der Polizei vor Protestkultur.

"Mehr als 5.600 Beamte einzusetzen für eine anderthalbstündige Veranstaltung von 200 Leuten wirkt schon reichlich absurd." Bild: ap

Der 62-Jährige ist einer der Organisatoren des "Bündnisses gegen ,Pro Köln'". Der pensionierte Gesamtschullehrer ist außerdem Mitglied der "Interventionistischen Linken", eines Netzwerks linker Gruppen und Bündnisse.

taz: Herr Schmidt, welche Bilanz ziehen Sie nach den Demonstrationen gegen den sogenannten Anti-Islamisierungskongress?

Reiner Schmidt: Insgesamt ziehe ich eine positive Bilanz: Die Proteste gegen den "Anti-Islamisierungskongress" waren erfolgreich, sowohl der des Gewerkschaftsbündnisses "Köln stellt sich quer" als auch unserer. Das Häuflein von "Pro Köln" hat sich hingegen lächerlich gemacht. Erfolgreich war auch die Protestform, die wir propagiert haben. Das "Abpfeifen" auf dem Barmer Platz hat funktioniert - trotz des erschwerten Zugangs. Es wurde kräftig gepfiffen, es war laut und die Hetzreden der "Pro Köln"-Funktionäre und ihrer europäischen Gäste waren in weiten Teilen nicht zu hören.

Allerdings war der Gegenprotest diesmal deutlich kleiner als im September. Woran lag es?

Von vornherein gab es diesmal in allen Protestspektren nur eine regionale und keine bundesweite Mobilisierung. Das schafft auch so eine Protestszene nicht, dass sie alle sechs, sieben Monate so eine gewaltige Anstrengung hinlegt. Doch wenige waren wir trotzdem nicht.

Die Polizei sagt, dass es nicht zu Ausschreitungen gekommen sei, habe an ihrer brillanten Einsatzstrategie und ihrer starken Präsenz gelegen. Ist das so?

In der Tat gab keine größeren Auseinandersetzungen und Ausschreitungen, was gut ist. Aber das hat seinen Preis gehabt. Entgegen ihren Vorankündigungen hat die Polizei das Versammlungsrecht problematisch eingeschränkt. Denn zu dem gehört auch, dass die Polizei bei einer Versammlung unter freiem Himmel auch Kritikern den Zugang möglich machen muss. Stattdessen hat sie jedoch Protestierer ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr auf den Platz gelassen, teilweise in Zusammenarbeit mit "Pro Köln"-Funktionären.

Halten Sie das große Polizeiaufgebot für gerechtfertigt?

Mehr als 5.600 Beamte einzusetzen für eine anderthalbstündige Veranstaltung von 200 Leuten wirkt schon reichlich absurd. Im letzten Jahr hatten wir zur Blockade aufgerufen, also passivem Widerstand. Diesmal ging es um Infiltration, um die "Pro Köln"-Veranstaltung von innen heraus "abzupfeifen". Beides sind ja relativ niedrigschwellige Aktionsformen. Aber offenkundig hat die Polizei Schwierigkeiten, mit Formen des zivilen Ungehorsams umzugehen. Darum hat sie im Vorfeld auch Bilder von möglichen Krawallen gemalt, die zu keinem Zeitpunkt stimmten.

Wegen des "Abpfeifen"-Aufrufs haben Sie jetzt eine Anzeige am Hals. Rechnen Sie mit einem Strafverfahren?

Mein Anwalt befürchtet, dass es zu einem Verfahren kommen wird. Es scheint so, dass ein Exempel statuiert werden soll. Ich finde es jedoch fatal, wenn auf diese Weise versucht würde, zivilen Ungehorsam zu delegitimieren. Es handelte sich um die Propagierung einer neuen Protestkultur und nicht um den Aufruf zu Gewalttaten. Das darf nicht kriminalisiert werden.

INTERVIEW: PASCAL BEUCKER

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.