Pfusch bei Kölner U-Bahn: Fehlende Stahlstützen in der Wand

Nur ein Sechstel der nötigen Stahlbügel in den Wänden, verworfene Pläne einer Evakuierung: Der Zustand der Kölner U-Bahn ist viel schlimmer als erwartet. Ein Polier soll den Stahl verramscht haben.

Kerzen und Blumen für die Opfer: Einsturzstelle des Stadtarchivs. Bild: dpa

KÖLN dpa | In Köln kommen immer unglaublichere Dinge zum Bau der U-Bahn ans Licht. Die neueste Enthüllung: In den unterirdischen Wänden fehlen bis zu 83 Prozent der stabilisierenden Stahlbügel. Die Stadt erwog deshalb vorübergehend die Evakuierung von Häusern an der innerstädtischen Baugrube Heumarkt und eine Umleitung des Rosenmontagszugs. Messungen hätten jedoch ergeben, dass dies nicht nötig sei, weil keine Einsturzgefahr bestehe, teilte die Stadt mit. Der Rosenmontagszug könne ohne Beeinträchtigung stattfinden.

Die Bügel fehlen offenbar auch an den neu entstehenden Haltestellen Rathaus und Waidmarkt. Am Waidmarkt war vor knapp einem Jahr das Stadtarchiv eingestürzt, vermutlich infolge des U-Bahn-Baus. Genaues ist noch immer nicht bekannt. Nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft kann der Einsturz allerdings nichts mit den fehlenden Bügeln zu tun haben.

Der Polier der Baustelle und einige Arbeiter sollen die Stahlbügel gestohlen und an einen Schrotthändler verkauft haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Der Präsident der Ingenieurkammer-Bau NRW, Heinrich Bökamp, sagte am Freitag, die jetzt enthüllten Mängel seien äußert schwerwiegend und nicht mehr entschuldbar. "Jetzt sieht man: Ein bisschen Sicherheit geht eben nicht. Eine unabhängige Überprüfung ist nicht zum Nulltarif zu haben."

Experten hatten in der Nacht zum Donnerstag Wände in der Baugrube Heumarkt geöffnet, um zu prüfen, ob dort wirklich zu wenige Stahlbügel eingebaut worden waren. Was sie sahen, übertraf ihre schlimmsten Erwartungen: Teilweise waren nur 17 Prozent der vorgesehenen Bügel eingebaut worden. Feuerwehr und Polizei wurden daraufhin in Alarmbereitschaft versetzt. Bökamp sagte dazu: "17 Prozent ist nichts mehr. Die Sicherheit, die das Bauwerk haben muss, ist dann nicht mehr vorhanden."

Nützlich: Stahl in der Wand. Baugrube der Kölner Nord-Süd-Bahn (Foto vom 04.03.2009). Bild: dpa

Der Kölner Stadt-Anzeiger, der als erster über die Missstände berichtet hatte, schilderte: "Oben feierten die Jecken fröhlich Weiberfastnacht, unten in der Grube der U-Bahn-Haltestelle Heumarkt wurde gemeißelt und gerechnet." Die ersten Messergebnisse hätten den Stab um Oberbürgermeister Jürgen Roters (SPD) dann aber aufatmen lassen.

Nach einem Bericht des Spiegel erwog die Stadtspitze im Januar zeitweise die Evakuierung von Teilen der Innenstadt wegen Sicherheitsbedenken. Die Stadtspitze habe mit Fachleuten großräumige Evakuierungen um den Waidmarkt vorbereiten lassen. Nach weiteren Prüfungen durch Sachverständige sei der Notfallplan fallen gelassen worden.

Ähnlich hatte am Mittwoch bereits die Kölnische Rundschau berichtet. Ein Sprecher der Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) hatte daraufhin erklärt, er könne dies so nicht bestätigen - die Sicherheit werde ständig überprüft, und dabei spreche man viele Eventualitäten durch.

Bei dem Einsturz des Stadtarchivs waren am 3. März 2009 zwei Menschen ums Leben gekommen. Einzigartige Archivschätze wurden verschüttet. Der Schaden beläuft sich auf mindestens eine halbe Milliarde Euro.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.