Horrende Gehaltunterschiede: Frauen in der Ungerechtigkeitsspirale

Die Frau geht in die Babypause, arbeitet danach Teilzeit und kriegt keinen Führungsjob: Dies, analysieren Expertinnen im Bundestag, führt zur ungleichen Bezahlung von Mann und Frau.

Im Gehälterdschungel: Frauen verdienen 23 Prozent weniger als Männer. Bild: photocase/c-promo.de

Expertinnen haben am Mittwoch im Bundestag darauf gedrängt, endlich für eine Gleichbehandlung von Männern und Frauen zu sorgen. Bei einer Anhörung im Parlament wurde deutlich, dass gleiches Geld für gleiche Arbeit eigentlich schon in den Römischen Verträgen zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft vereinbart worden war. Aber ein halbes Jahrhundert später verdienen Frauen in Deutschland immer noch weniger als Männer. Und das obwohl gerade junge Frauen mittlerweile besser ausgebildet sind, als ihre männlichen Kollegen.

"Der Staat darf nicht länger auf Freiwilligkeit setzen", sagte Sibylle Raasch vom Deutschen Juristinnenbund. "Wir brauchen ein zwingendes, verbindliches Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft." Neben einem expliziten Verbot der Diskriminierung bei der Bezahlung forderten die Expertinnen klar festgeschriebene Quotenregeln für die Beschäftigung von Frauen und Männern in Betrieben, diskriminierungsfreie Tarifverträge im öffentlichen Dienst und ein Verbandsklagerecht für Frauen, die gegen ungleiche Bezahlung gerichtlich vorgehen wollen.

Im Schnitt verdienen Frauen 23 Prozent weniger verdienen als Männer. Viele Frauen werden für die gleiche Arbeit schlicht schlechter bezahlt als ihre männlichen Kollegen. Außerdem gebe es eine versteckte Diskriminierung, sagte Astrid Ziegler vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. "Diese ist nicht so einfach nachzuweisen, weil sie sich hinter geschlechtsneutralen Formulierungen verbirgt."

Obwohl immer mehr Väter Elternzeit in Anspruch nehmen und für einige Monate bei ihren Kindern bleiben, sind es nach wie vor in der Mehrzahl Frauen, die nach der Geburt eines Kindes im Job pausieren. Und damit beginnt die Ungerechtigkeitsspirale: Während die Frauen zu Hause füttern und Windeln wechseln, geht das Leben im Unternehmen ohne sie weiter. Nach der Babypause müssen sie erst wieder aufholen, was ihnen die kinderlosen KollegInnen an Knowhow voraus haben. Für einen Aufstieg qualifizieren sie sich dadurch in den Augen vieler Chefs nicht. Dazu kommt, dass viele Frauen nach der Elternzeit nicht mehr vollzeit arbeiten, um Beruf und Familie besser vereinbaren zu können. Sei es, weil die Kita so früh schließt oder weil sie sich als Mutter keinen stressigeren Job mehr zumuten wollen.

Teilzeit wird aber nicht nur schlechter bezahlt, als Vollzeitarbeit. Für viele Chefs kommen Teilzeitkräfte auch für Führungspositionen nicht mehr in Frage. Nach der Analyse von Armgard von Reden, die bei der Computerfirma IBM dem firmeneigegen Rat für weibliche Führungskräfte vorsitzt, ist diese Annahme schlicht falsch. Teilzeitmanagerinnen seien durchaus denkbar, sagte von Reden. "Hier hängt sehr viel vom Eigenengagement der Frauen ab."

Für viele Frauen ändert sich an der ungerechten schlechteren Bezahlung auch nichts, weil sie oft vor einer Klage zurückschrecken. "Die Frauen müssen aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis heraus und gegen den eigenen Arbeitgeber klagen", sagte Doris Liebscher vom Antidiskriminierungsbüro in Sachsen. Auch fällt es vielen Frauen schwer, zu beweisen, dass sie weniger verdienen. Nach wie vor gelte in vielen Unternehmen: "Über Gehalt spricht man nicht." Sibylle Raasch vom Deutschen Juristinnenbund forderte deshalb, Unternehmen zur Veröffentlichung ihrer Gehaltsstruktur auf bestimmten Positionen zu zwingen.

Trotz der klaren Forderungen der ExpertInnen hält die Union die bislang geltenden gesetzlichen Regelungen für ausreichend. "Wir müssen sichtbar machen, was Firmen erreichen, und ein Klima erzeugen, das zeigt, was geht, und das die Gleichstellung von Frauen für den Erfolg der Firma wirtschaftlich interessant ist", sagte die CDU-Abgeordnete Eva Möllring. Mit einem weiteren Gesetz könne man das jedoch nicht erreichen. Auch die SPD sieht innerhalb der Koalition derzeit keinen Handlungsspielraum. "Das ist ein Thema für nach der Bundestagwahl", sagte die SPD-Frauenpolitikerin Christel Humme.

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